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BeitragVerfasst: Mi 1. Feb 2012, 23:09 
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Warum ich meinen Thera lieben musste
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Die Frau setzt ein Fuss vor den Andern….Ihr Kopf ist gesenkt, die Hände in den Taschen vergraben. So geht sie vor sich hin….Eine Stunde, und noch Eine….Um sie herum Autolärm und Menschen. Alles nah und dennoch weit weit weg. Sie ist verzweifelt. So verzweifelt, dass sie nicht mehr weiterleben kann. Die einst stolze und starke Frau gibt es nicht mehr. Sie ist am Ende.
Es wird Abend. Die Frau kann nicht nach Hause zurück. Diesmal nicht. Sie will nicht sterben, aber sie kann nicht leben. Halb ohnmächtig vor Elend steht sie vor der Praxis ihres Therapeuten. Sie braucht Hilfe. Sie drückt die Klingel. Ein Summen gibt die Türe frei. Ihr Kopf kann nicht mehr denken. Sie geht die wenigen Stufen hoch und steht im Gang vor dem Therapiezimmer. Die Türe öffnet sich - die Frau steht vor dem Thera - sagt, dass sie das nackte Elend sei. Sie werde sterben, weil man sowas nicht überleben könne.
Der Thera nimmt die Frau in seine Arme. Sie hört sein Herz schlagen. Er streicht ihr über das Gesicht – so wie man einem Kinde über das Gesicht streichelt, wenn es traurig ist. Zart und fein - ein Hauch nur.....Nie zuvor hat sie ein Mensch auf diese Weise in die Arme genommen. So – als sei sie ein Kind. Ruhe durchströmt den müden Körper der Frau. Sie ist angekommen.
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Es hat Jahre gedauert, diese Gefühle der Bedürftigkeit spüren zu können. Und weitere Jahre sie einem Menschen – in diesem Fall meinem Thera - einzugestehen. Ich habe ihn geliebt. Erst so – wie man einen guten Vater oder eine gute Mutter liebt. Später mit dem Trotz einer Pubertierenden. Und zum Schluss – als Frau. Mein erwachsenes ich ist zurückgegangen in die Kindheit – hat dort ihre verkümmerten kindlichen Anteile abgeholt – hat sie bei der Hand genommen und durch sämtliche Stadien des Erwachsen-werdens geführt . Das war harte Arbeit auf beiden Seiten. Aber ich bin so unendlich dankbar, dass mir diese Gelegenheit gegeben wurde.
Ich musste lieben, um diesen Weg machen zu können. Ohne die Liebe hätte ich meinen Stolz und meine Scham nicht überwinden können. Die Liebe war die Triebfeder die diese Entwicklungsschritte erst möglich machte. Andere Menschen bedürfen dieser Therapeutenliebe vielleicht nicht. Möglicherweise haben sie weniger „Defizite“ als ich. Oder sie „bearbeiten“ diese in einer „normalen“ Beziehung.
Meine Seele „bediente“ sich meines Therapeuten um dort nachzureifen wo es nötig war. Ganz am Anfang meiner Therapie erwiderte mir mein Thera auf meine Frage - warum Menschen so depressiv werden müssen – folgendes: Frau Timpe, Depression, das ist erwachsen werden. Ich war ziemlich beleidigt….Immerhin habe ich mein Leben bis dahin gut gemeistert, viel geleistet und drei Kinder in’s Leben begleitet. Aber mein Thera hatte Recht. Depression, - das ist erwachsen-werden.

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Meine Schwester schläft. Ich beneide sie um dieses schlafen-können. Legt sich hin und schnarcht einfach drauflos, derweil ich darum kämpfe überhaupt so etwas wie Müdigkeit zu spüren. Mein Beitrag ist der schwache Versuch zu erklären, WARUM ich meinen Analytiker lieben musste. Ihn immer noch liebe, aber ohne ihn "besitzen" zu wollen. Vielleicht ist er der letzte Mensch in meinem Leben, den ich auf diese Weise lieben durfte. Lieben zu können ist schön. Es gibt so viele Formen der Liebe. Die Liebe zum Therapeuten ist nur eine von vielen. Und nicht mal die Schlechteste!

Seid ganz herzlich gegrüsst
von einer ziemlich nachdenklichen TimpeTe :wink:

vielleicht hat jemand hier ähnliche Erfahrungen gemacht?

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Es ist gut, wenn uns die verrinnende Zeit nicht als etwas erscheint, das uns verbraucht oder zerstört, sondern als etwas, das uns vollendet. (Antoine de Saint-Exupéry)


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 Betreff des Beitrags:
Verfasst: Mi 1. Feb 2012, 23:09 


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BeitragVerfasst: Mi 1. Feb 2012, 23:43 
TimpeTe, liebste Kunst-schaffende Fee hier!

Für Dein Bekenntnis, Deinen Bericht sei Dir gedankt!
Mir geht es anders, muss es anders gehen und wird es anders gehen aufgrund meiner anderen Lebensgeschichte (doch: Ein zärtliches Gefühl für meinen Thera habe ich, wie auch für die kostbaren Freunde [zu denen er nie gehören wird, und das ist gut so], zu denen aber so Manche hier mittlerweile gehört).

Du warst so offen, Liebes!
Und ich freue mich für Dich, dafür, dass Dein Thera Dir diesen Raum gegeben hat - und: Du ihn nutzen konntest.

Bin eigentlich ziemlich sprachlos und eher am Denken als am Schreiben, drum, liebe TimpeFee, jetzt nur noch dies hier: Dich hier, in den Weiten des I-Netzes gefunden zu haben, ist mir ein Riesengeschenk, eine Ehre und eine Freude!

Sigune


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BeitragVerfasst: Do 2. Feb 2012, 00:29 
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TimpeTe hat geschrieben:
Lieben zu können ist schön. Es gibt so viele Formen der Liebe. Die Liebe zum Therapeuten ist nur eine von vielen. Und nicht mal die Schlechteste!


vielleicht hat jemand hier ähnliche Erfahrungen gemacht?

Ja, du weißt, dass ich mich hier zu Wort melden werde. Und irgendwann wenn ich auf meine Analyse zurückblicke, werde ich hier auch so einen schönen Beitrag verfassen. Vielleicht könnte ich es sogar jetzt schon, aber es braucht eine gewisse Zeit, um sich über das Ausmaß dieser Erfahrung klarzuwerden. Meine gefühlte Dankbarkeit sagt mir aber, dass ich mir dessen bereits ein ganzes Stück bewusst bin.

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BeitragVerfasst: Do 2. Feb 2012, 06:59 
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Liebe TimpeTe ,

danke für deine lieben Worte für deinen Therapeuten -
mein großes Problem ist diese Liebe zu zulassen -
wenn ich lese wie andere sie beschreiben bekomme ich
Angst mich so zu verlieren -
bei dir liest es sich als schön , hilfreich , tröstlich
und nur gut .

lg , alena


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BeitragVerfasst: Do 2. Feb 2012, 16:34 
Liebe Timpe Te,

Du hast mir mit diesem Einblick in deine Therapie echt geholfen. Es machte laut Klick bei diesem Satz
Zitat:
Ohne die Liebe hätte ich meinen Stolz und meine Scham nicht überwinden können.

Ich empfand darin meine eigene Barrieren. Und die glasklare Wahrheit dass nur Liebe sie überwindet.
Lieben Gruß, gompy


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BeitragVerfasst: Do 2. Feb 2012, 17:39 
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auch von mir ein dickes, dickes danke, timpe. ich glaub du weißt schon, dass es mir ganz fürchterlich ähnlich geht. gerade heute haben wir in meiner ttheapie ein bild gebastelt. mein vater hat mich zu sich geholt, viel zu nah und drum herum hat er einen minengürtel angelegt, damit da niemand rein, niemand an mich ran kommt. ja, später habe ich selber noch ein paar selbtschussanlagen installiert - weil mir das so in fleisch und blut übergegangen ist, dass mich niemand berühren darf außer ihm, der mir sehr weh getan hat und der doch das einzige war, das ich hatte. jetzt muss ich noch ein letztes mal durch diesen minengürtel gehen - um da raus zu kommen, um mich berühren zu lassen, um zu lernen, wie schön das berührt werden sein kann, um diesen festen ring aus schmerz und einsamkeit endlich hinter mir zu lassen. wie soll das gehen ohne liebe? woher soll ich sonst den mut nehmen durch diesen minengürtel zu wandern? das größte geschenk in meiner therapie - ein paar mal ist meine analytikerin durch den gürtel zu mir gekommen. ihr ist einiges um die ohren geflogen auf dem weg zu mir. es hat aus allen rohren geschossen. aber sie ist weiter gegangen bis sie bei mir war. das hat mir den atem genommen, das einer das, mich aushält, das für mich tut, beharrlich, unerschrocken mit ganz viel wärme. wie soll man da nicht lieben?


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BeitragVerfasst: Do 2. Feb 2012, 18:58 
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maischa, ich versuch mich mal an einer antwort: weil erwachsen-werden heißt, nicht mehr weggucken, weglaufen, sondern hinsehen in der gewissheit, dass man es aushalten kann - und das hat immer ein wenig was trauriges. Kaum jemand, denke ich, kann groß werden ohne schmerz - ohne das ihm schmerz zugefügt wird und ohne dass er schmerz zufügt. erwachsenwerden wird für mich heißen, das ich nicht mehr darauf hoffe, dass jemand zu mir in den minengürtel kommt (mein mann ist gekommen) oder sich gar dran macht, für mich diese minen aus dem weg zu räumen. es wird heißen, dass ich dass selber mache. geht gar nicht anders. mein mann wollte sie so gern wegräumen. aber er hat die karte nicht. das ist schon gut, das selber machen und vielleicht noch mehr das wissen darum, dass man es gebacken kriegt. aber der gedanke, jemand kommt und macht das für mich, der ist schon auch verdammt verlockend. weil als kind hab ich da ja jahrelang gesessen und gewartet und es kamkeiner. den loslassen, diesen gedanken, und ihm noch ein wenig wehmütig hinter her sehen, das hat ein bisschen was depressives...


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BeitragVerfasst: Do 2. Feb 2012, 19:23 
Ach neko... du bist ja unbezahlbar... da brennen mir echt die Augen...


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BeitragVerfasst: Do 2. Feb 2012, 22:33 
Off-Topic:
Nochmal eine andere Antwort auf Maischas Frage:
Erwachsenwerden, Traurig(er)werden:
Die Dinge verlieren durchs viele Betrachten ihren Glanz.
Das Realitätsprinzip beginnt, das Lustprinzip zu ersticken.
Das Wort „Sachzwang“ bleibt zwar lächerlich, bestimmt aber immer mehr.
Die eigene Mittelmäßigkeit und die allgemeine Vergeblichkeit werden bewusster.
Verluste und das, was einem versagt wird, was man sich selbst versagt, überwiegen die Gaben.


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BeitragVerfasst: Fr 3. Feb 2012, 00:41 
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Hallo TimpeTe,

wir hatten doch mal kurz geschrieben wegen guten Schreibens, eigener Stil und so . . . Mensch, deine Beschreibung dermaßen gut. Weder zu distanziert noch zu nach dran. Und auch der Thread-Titel mit ". . . lieben dürfen musste". Da ist alles drin.

Gruß
Anastasius

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"Wer seine Gedanken und Hoffnungen auf etwas richten kann, das jenseits des Ichs liegt, wird einen gewissen Frieden inmitten der unvermeidlichen Lebenssorgen erringen. Das ist den reinen Egoisten unmöglich." (Bertrand Russell)


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BeitragVerfasst: Fr 3. Feb 2012, 08:59 
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Hallo ihr :wink:

Vielen Danke für eure Beiträge! :knuddel: Und dir neko - danke für die Antwort an maischa!
Meine Schwester ist grad auf Hunderundgang. Viel Zeit bleibt nicht. Ich lasse die Antworten einfach mal so stehen....Nächste Woche werde ich mehr Zeit haben...hoffe ich.

Irgendwo in meinem Tagebuch steht geschrieben, - dass Therapie auch Verlust der Unschuld bedeute. Ich glaube, das deckt sich mit einigen Aussagen von Sigune.

neko....darum liebe ich das Märchen vom eisernen Heinrich so sehr....Es ist zwar kein Dynamit - aber immerhin....Einen guten Therapeuten gefunden zu haben ist ein Geschenk.

Habt eine schönes Wochenende
und nochmals vielen Dank für eure Gedanken hier......
TimpeTe

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BeitragVerfasst: Fr 3. Feb 2012, 09:28 
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maischa2 hat geschrieben:
...und ich frag mich wieder (ist aber Dein Thread): Wie bekommt man das hin, Alles alleine zu machen (und es auch wirklich zu können!!!) und sich nicht mehr zu wünschen oder zu hoffen, das jemanden einem hilft?

:kopfkratz: Muss man das hinbekommen? Ich denke es ist legitim zu hoffen und zu wünschen, dass es immer Menschen im Leben gibt, die einem helfen, und diese Hilfe, wenn sie sich bietet auch anzunehmen. Man muss nicht alles alleine machen.

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BeitragVerfasst: Fr 3. Feb 2012, 14:31 
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Liebe maischa

Nur ganz husch....weil eine andere Schwester auch noch zu uns zweien dazukommt.... ;) Dieser Thread ist frei für alle! Und für alle Fragen. Nur eine Bitte hätte ich: Ich kann so Kleingeschriebenes fast nicht mehr lesen. Es ist für meine Augen eine Qual. Ich weiss - es ist deine Bescheidenheit - aber die muss (für mich) nicht sein. Im Gegenteil....lieber wären mir noch grössere Buchstaben... ;)

sei herzlich gegrüsst maischa
TimpeTe

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BeitragVerfasst: Fr 3. Feb 2012, 15:01 
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maischa...noch einmal husch ich...
dein Beitrag hat mich beschäftigt. Ich weiss nicht, ob du mit folgender Antwort was anfangen kannst:

Nein- man muss nicht alles alleine machen. Jedoch halte ich zu grosse Erwartungshaltungen an andere Menschen für wenig hilfreich – sie erfüllen sich selten - bis nie……
Auch glaube ich, dass sich Sehnsüchte erst dann ansatzweise erfüllen können, wenn die Erwartungshaltung wegfällt. Wenn man sich in seiner Bedürftigkeit zu zeigen wagt. Wenn man ganz schlicht und mit wenigen Worten sagen kann: Es geht mir nicht gut – ich bräuchte dich jetzt um das Leben wie es grad ist – auszuhalten. Dann hört man fast nie ein „nein“ von andern Menschen. Dann erwarte ich auch nicht mehr, dass der andere mir die Verzweiflung „wegmacht“. Das Geschenk an mich besteht allein darin, dass der andere Mensch mich so wie ich grad bin, - aushält - und einfach nur – da ist.

ich hoffe, das war jetzt nicht zu konfus...

tschüss maischa :knuddel:
muss in die Küche...Vorbereitungen treffen...
TimpeTe

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BeitragVerfasst: Fr 3. Feb 2012, 15:15 
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maischa, ich glaub bei mir ist das ein wechselverhältnis. weil ich weiß, dass ich mich im zweifelsfall auch um mich kümmern kann, weil ich gelernt hab, mir zu erlauben gut zu mir zu sein (und das ist für mch im auskotzen der täter-identifizierten anteile sau schwer gewesen), wegen all dem, kann ich meine bedürftigkeit zeigen, muss mich ihrer nicht mehr schämen, kann bitten - immer in dem wissen, wenn nicht, tut es weh aber es bringt mich nicht um...früher konnte ich gar nicht bitten. jede zurückgewiesene/abgewiesene bitte hätte mich getötet. manchmal hab ich auch das gefühl, dass so eine ahnung darum, wie existentiell das bei einem ist, anderen angst macht. auf jeden fall ist meine erfahrung, dass menschen mir gegenüber jetzt viel zugewandter sind - weil ich sagen kann, bitte hilf mir. weil ich aber auch signalisiere, du kannst nein sagen, das wär vielleicht nicht so schön, aber es ist nicht existentiell. da weiß ich aber auch nicht, wie sehr das was mit mir und nur mit mir zu tun hat. ich habe immer sehr, sehr genau die exitentiellen nöte meines vaters gespürt. das war mit das schlimmste. und die vorstellung, dass ich das jemand anderem antun könnte, die lässt mich auch im hohen bogen kotzen...


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BeitragVerfasst: Fr 3. Feb 2012, 15:31 
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Liebe Timpe,

wenn du wüsstest, wie aktuell das Thema gerade für mich ist......der Thread kommt zur rechten Zeit. Ich bin dir so dankbar, dass du mit diesem Thema so offen umgehen kannst.
Ich weiß gar nicht, ob ich hier überhaupt mitschreiben kann....ich bin zur Zeit extrem labil, verzweifelt, voller Angst und Schmerz und gequält von der Liebe, die ich zu meinem T. empfinde. :(

Es ist die Hölle........vielleicht kann ich mir hier Trost suchen in deinen/euren Worten, vielleicht etwas von euch abschauen, wie ihr damit umgeht..... :help:

Danke einfach dafür.

Liebe Grüße,
Laura.....aus der Mitte der Hölle

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Ich sehe und fühle mich zum ersten Mal wirklich.
Das bedeutet nicht, dass jetzt alles gut ist - aber dass Vieles erst jetzt besser werden kann.


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BeitragVerfasst: Fr 3. Feb 2012, 15:44 
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maischa2 hat geschrieben:
Solange erstmal die Antwort an Dich: Das ist schön, dass man nicht alles alleine machen muss, aber so wie ich es hier manchmal lese, ist es ja auch ein Ziel von Therapie, eben nicht mehr zu warten, sondern selber zu machen. Ebenso wie Neko hier in ihrem Beitrag schrieb.
Ist es also dann schlimm und nicht erstrebenswert zu hoffen, zu wünschen, sich danach zu sehnen, dass einem jemanden hilft? Ist es etwas zum "Wegtherapieren"? Muss ein Gefühl von "Hilfslosigkeit" weg, hin zum sich selber helfen können und solange man das nicht kann (ich weiß, dass ist verallgemeinert und hat so niemand gesagt, aber die Gedanken kamen mir grade), muss man weiter kämpfen bzw. an sich arbeiten?
...und jetzt noch ein Gedanke aus einer ganz anderen Ecke, der aber dazu passt: Ist es schlecht, etwas innerlich nicht zu können und erst gut, wenn man sich soweit "hinbekommen", hingebogen hat, bis es dann mal irgendwann geht? Was macht man solange mit dem "nicht-können", dem "nicht-weiter-wissen", der Hilfslosigkeit?...und eben auch mit dem "alleine damit sein, denn man soll ja alleine mache, sich selber daraus helfen,...für andere ist es zuviel,etc.?

Ich glaube (bzw. ich habe gelernt und lerne es auch ganz aktuell), dass es nicht darum geht, allein mit seiner Bedürftigkeit klarzukommen und nicht mehr Hilfe in anderen zu suchen, sondern, dass es wichtig ist, aus der Opfer-Haltung rauszukommen. Man soll sich nicht als Opfer der Umstände, der Mitmenschen und der Vergangenheit fühlen, sondern als erwachsenen mündigen Menschen, der Dinge beeinflussen und verändern kann dadurch dass man sagt und zeigt, was man braucht.
Hilflosigkeit wegtherapieren? Wenn man es so nennen mag. Man könnte auch sagen: Selbstvertrauen und Vertrauen in andere stärken. Akzeptanz schaffen für Veränderungen und Verluste. Hilfe annehmen lernen ohne Eigenverantwortung abzugeben.
Hört sich an wie aus einem 08/15-Lebensratgeber, aber das sind meine "Lektionen", die ich gelernt habe in Therapie, in Gesprächen mit Freunden und in verschiedenen Beratungsgesprächen.

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BeitragVerfasst: Di 7. Feb 2012, 01:54 
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In einer therapeutischen Beziehung lebt ein Patient oft sehr viele seiner kindlichen Anteile aus. Der Therapeut ist die gute Mutter und der gute Vater den man nie hatte. Diese Phase kann Jahre dauern. Und genauso wie ein guter Vater oder eine guter Mutter ihre Kinder niemals als sexuellen Partnern wählen würde, wenn diese erwachsen werden, genauso wenig darf ein Therapeut diese Grenzen übertreten wenn der Patient „den Kinderschuhen“ entwachsen ist.. Es wäre Missbrauch. Und ein übler noch dazu. Für mein Gefühl würde das an inzestuösen Missbrauch grenzen.....

Aber leicht ist es nicht! Nicht auf der einen- und auch nicht auf der andern Seite......

Bild

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@maischa: ich habe drei Schwestern und ein Bruder.... ein Nest ;) :) :wink: ....

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BeitragVerfasst: Di 7. Feb 2012, 08:53 
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Liebe Timpe,

ich les hier ja auch ganz gerührt mit. Was mich interessieren würde, wie lange hat es bei Dir gedauert, bis Du den Weg aus den alten Erfahrungen raus gefunden hast, also bis Du die negativen Erlebnisse in der Begegnung nicht mehr wiederholt hast, sondern wirklich eine 'neue Beziehungserfahrung' machen konntest. Wenn man das hier liest, könnte man meinen, das sei von Anfang an so gewesen, aber nach meiner Erfahrung ist das Wiederholen erstmal unvermeidlich (man sieht nur, was man kennt), bis man das langsam aufdröselt und auseinanderhalten kann. War das bei Dir auch so?

Liebe Grüße
vom derzeit verwinzigten Augustinchen


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BeitragVerfasst: Di 7. Feb 2012, 14:44 
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Liebe maischa

Nein, das war keine Wärme gegen Bezahlung maischa. Damals ging es um’s nackte Überleben. Ich war sowas von krank…so depressiv….nur noch ein Schatten meiner selbst. Es gab bei mir auch nie eine Diskussion um die Anzahl der Therapiestunden. Ich weiss auch nicht warum das so war. Wahrscheinlich verdanke ich das auch den guten Begründungen meines Arztes. Heute wäre es vielleicht auch etwas schwieriger…keine Ahnung…..

Ich wünsche dir eine gute Woche!
TimpeTe

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BeitragVerfasst: Di 7. Feb 2012, 14:55 
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Liebe Augustine

Ich habe lange überlegt, ob es gut sei, auf deine Frage eine ehrliche Antwort zu geben. Wie dem auch sei…..es war – wie es war.
Bis zu dem beschriebenen Moment, wo ich mich von meinem Thera in die Arme nehmen liess, dauerte es acht Jahre. Danach wurde es nie mehr so höllisch wie die Jahre zuvor. Ab diesem Moment hatte ich eine starke Verbündete an meiner Seite. Das war mein erwachsenes „ich“. Das war schon eine eigenartige Sache…Ich meine, dass ich in dem Moment, als ich ganz „unten“ war – als ich mich so hilflos fühlte wie nie zuvor in meinem Leben – als ich nur noch ein nach Hilfe suchendes Kind war – dass dies gleichzeitig der Ausweg aus der Hölle-, aus der Abhängigkeit- und aus eben gerade dieser kindlichen Hilflosigkeit bedeutete. Ab diesem Zeitpunkt schaffte ich es, die Verantwortung für mein Befinden wieder (fast) gänzlich in die eigenen Hände zu nehmen. Das Verlassen der alten Trampelpfade geschah nach diesem Tag (im Vergleich zu vorher) fast mühelos....Und damit auch das erschaffen neuer Wege...

Ich war damals ja schon fast fünfzig Jahre alt. Und ich war mein Leben lang ein selbständiger Mensch, eine richtig kräftige Frau, die mit beiden Beinen auf dem Boden stand- und die nie zuvor Hilfe annehmen musste. Diese – meine Mutation zu diesem hilflosen „Etwas“ zu ertragen, auszuhalten – das war fürchterlich!
An jenem besagten Tag, da war mir, als seien mir Flügel gewachsen. Ein wundervolles Gefühl…….Die Flügel bekamen zwar immer wieder mal „Schlagseite“ – aber das, was sich damals in meiner Seele vollzog, das konnte mir nicht mehr genommen werden. Es war zwar mit Hilfe des Therapeuten zustande gekommen, - aber die Erfahrung hat sich wie verselbständigt. Sie ist an einem „geschützten“ Ort „eingelagert“ – unzerstörbar für immer.

Ich weiss nicht, ob du mit meiner Antwort etwas anfangen kannst.... :nixweiss:
so - nun muss ich noch etwas zu schlafen versuchen. Bin erst gegen 4 Uhr heute Nacht eingeschlafen und habe heute Abend noch zwei Stunden Yoga....

sei herzlich gegrüsst Augustine...
TimpeTe

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Zuletzt geändert von TimpeTe am Di 7. Feb 2012, 15:05, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: Di 7. Feb 2012, 15:05 
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oi timpe, ich weiß genau wovon du redest!!! ich hatte das vor 3 monaten. da war ich fertig, hab wieder auf einer brücke gestanden und gedacht ich spring. und dann hab ich meine therapeutin angerufen. und das war das wichtigste, was ich je getan hab. entscheidend war gar nicht, was und wie sie gesprochen hat 8war schon auch wichtig und schön, aber entscheidend war es nicht. der dreh und angelpunkt war: ich hab gehandelt, ich hab nicht still gesessen und zugesehen, zugewartet, wie meine bauschmerzen immer schlimmer werden. ich hab angerufen. ich hatte das erste mal im leben das gefühl, was ich mache, macht einen unterschied....

und jetzt mit dem zweiten antragsanlauf im blick (jesus, ich hätte nie gedacht, dass sie das macht...ich hätte gedacht, ich bin doch schon fast fertig, mehr als jetzt kann man nicht wollen) da wird dasvielleicht auch noch mal mit dem umarmen...


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BeitragVerfasst: Di 7. Feb 2012, 18:02 
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Hallo neko

Zitat:
und jetzt mit dem zweiten antragsanlauf im blick (jesus, ich hätte nie gedacht, dass sie das macht...ich hätte gedacht, ich bin doch schon fast fertig, mehr als jetzt kann man nicht wollen) da wird dasvielleicht auch noch mal mit dem umarmen...


Die Umarmung ist vielleicht gar nicht soooo wichtig - aber es ist mMn. sehr wichtig die emotionalen Erdbeben in Ruhe nachzubearbeiten. Da kann noch einiges Geschehen oder sich zumindest verfestigen. Deine Thera ist eine Gute - sie weiss das!

:knuddel:
Timpe-Te

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Es liegt mir daran, nochmals zu betonen, dass ich in meinem Fall nicht von "Heilung" oder "Heil-werden" reden möchte. (Ich hab mal gedacht, dass das möglich ist) Und ein ganz klein wenig geht es in diese Richtung. Ich bin zufrieden mit meinem Leben. Nicht immer - aber meist. Das ist mehr, als viele Menschen von sich sagen können. Ich kann fühlen, ich kann lachen, ich kann weinen und ich kann lieben. Herz - oder muss ich sagen: Seele, was willst du mehr?
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Alter: 37
Liebe Timpe,

vielen Dank für die ausführliche Antwort. Doch, ich glaub ich kann was damit anfangen. 8 Jahre bis dahin - ohjeh, das hört sich auch nach viel Seelenqual und Herzeleid an. Dass es so ein weiter Weg war bei Dir, das wirkt jetzt aus meiner Position eher beruhigend auf mich. Weil ich mich oft unter Druck gesetzt fühle, mich selbst unter Druck setze und das Gefühl habe, es geht nichts vorwärts oder zumindest nicht in tieferen Ebenen. Aber vielleicht braucht sowas halt einfach ganz viel Zeit. Und es macht mir Mut und bestätigt mich auch nochmal, diesen Höllenritt einfach weiterzureiten (nicht, dass ich daran ernste Zweifel hätte, aber Zuspruch kann man da ja immer brauchen).

Und was Du über Heilung schreibst, ja, ich glaube, genau darum geht es. Mit der eigenen Lebendigkeit im Kontakt sein, fühlen können, was es auch sei.. einfach um das Menschsein selbst und das dürfen und können, also eigentlich um das Allereinfachste und gleichzeitig das Allerschwerste.

:wink:
Augustine


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