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 Betreff des Beitrags: persönlichkeitsstörung(en)
BeitragVerfasst: Di 5. Jun 2012, 07:31 
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Hallo,
so langsam bin ich mir doch recht sicher über die Diagnose. Gestern war so eine Stunde, in der mir unheimlich viel klar geworden ist und in der sich vieles zu einem Puzzle zusammengefügt hat. Ich hab mir vorgenommen, in der nächsten Stunde mal genauer darüber zu sprechen - auch wenn mein Therapeut sicher nicht begeistert sein wird...

Eigentlich weiß ich, dass Diagnosen niemals die gesamte Persönlichkeit darstellen können. Dennoch: Wenn man sich erst mal damit beschäftigt hat, kann man das ja nun auch nicht alles über Bord werfen und so tun, als hätte man noch nie davon gehört.

Ich frage mich nun, ob es einem wirklich hilft, wenn man weiß, in welche Schublade man gehört? Wenn mein Therapeut nicht mal irgendwann das Wort 'früh' benutzt hätte ;), wäre ich vielleicht gar nicht auf die richtige Spur gekommen.

Ich hab mal Grundformen der Angst gelesen und noch andere Bücher über Persönlichkeitstypen und -störungen, und es ist schon teilweise extrem auffällig, wie sehr ich in die Kategorie 'schizoid' passe. Das fängt schon bei vergleichsweise lustigen Dingen an wie der Tatsache, dass Schizoide am liebsten im Wohnwagen verreisen ;) Vor allem das Gefühl, sich mit dem 'Fremden' zu identifizieren, weil dort die Abgrenzung gesichert ist, ist bei mir sehr ausgeprägt (also, wenn man verreist, fühlt man sich im anderen Land eher geborgen als in der Heimat, weil die eigene Rolle und Identität dann klar ist, während das in der Heimat eher bedrohlich ist, dass man zu den Einheimischen gehören soll). Ich hab immer gedacht, ich bin die Einzige, die so fühlt, und nun lese ich, dass das Ganze auch einen Namen hat ;) Aber auch diese ganzen pathologischen Kriterien treffen leider zu. Mir kommt es vor, als wäre diese Diagnose quasi genau für mich erschaffen, sozusagen ;) - Diese Abspaltung von Gefühl und Verstand. Die nicht vorhandene Lust auf Sexualität. Kein Bedürfnis nach Beziehungen und dennoch die starke Sehnsucht, anerkannt zu werden. Die gefühlte Bedrohung der eigenen Identität durch andere Menschen und die damit einhergehende Unfähigkeit, sich abzugrenzen. Das ständige Kreisen um mich selbst. Die Fähigkeit, durch andere Menschen hindurchzublicken.

Beschäftigt ihr euch gar nicht mit diesen Fragen? Ich lese eigentlich immer nur die sehr vernünftige Sichtweise, dass man sich nicht auf diesen Diagnoseschlüssel reduzieren lassen sollte. Habt ihr das auch gebraucht, dass ihr euch diagnostisch besser sortieren konntet? Oder konntet ihr der Versuchung widerstehen, alles über eure Störung herauszufinden, was die Literatur hergibt? Sind diese Diagnosen überhaupt sinnvoll? Ich weiß zwar, dass mein Therapeut mir gegenüber nicht mit Diagnosen arbeitet - und ich bin ihm sehr dankbar dafür, dass ER nicht damit angefangen hat, mich mit diesen Begriffen zuzuschütten. Aber ich frage mich: Vielleicht sieht er mich sozusagen außerhalb unserer Beziehung auch in erster Linie als DIE Schizoide. Oder ist es möglich / üblich / wahrscheinlich, dass man als Therapeut tatsächlich diese Bezeichnungen ignoriert und wirklich jede Stunde von neuem individuell schaut, was einen erwartet? Irgendwie kann ich mir das auch nicht so richtig vorstellen. Ganzheitliches Arbeiten hin oder her - in erster Linie geht es ja um unsere Krankheitsbilder, oder?


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 Betreff des Beitrags:
Verfasst: Di 5. Jun 2012, 07:31 


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 Betreff des Beitrags: Re: persönlichkeitsstörung(en)
BeitragVerfasst: Di 5. Jun 2012, 08:37 
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titus hat geschrieben:
Beschäftigt ihr euch gar nicht mit diesen Fragen?

Doch, immer wieder ging es mir auch darum herauszufinden, in welche Schublade ich gehöre.
Angefangen hat es, dass ich vor Therapiebeginn das Buch "Weiblicher Narzissmus" nochmal las, um meinem Therapeuten dann in den ersten Stunden meine vermutete Diagnose zu erläutern. Er ging nicht drauf ein und zeigte sich vollkommen unbeeindruckt. Nach einem Jahr kam ich auf den Trichter, ich könnte das Asperger-Syndrom haben. Es hat einfach vieles gepasst. Screening-Tests schlugen aus. Mein Therapeut deutete daran herum, warum ich mir eine Diagnose suche, aber dem Verdacht auf Asperger ging er nicht nach. Hab ich mich geärgert. Und als mir ein Spezialist am Telefon noch eröffnete, dass ich ganz sicher kein Asperger habe, war ich mächtig geknickt.
Noch ein paar Jahre später setzte ich mich kurz mit den einzelnen Typen der Persönlichkeitsstörungen auseinander. Zwei davon passten wie die Faust aufs Auge. Eine davon musste es sein. Nur welche? Mein Therapeut würde mich doch wieder auflaufen lassen, weil sich mit solchen Schubladen nicht beschäftigen möchte und sie für hinderlich hält. Ich sprach es trotzdem an und verlangte zu wissen, welche Verdachtsdiagnose in den Erstantrag geschrieben hat. Nach einigem Hick-Hack gestand er, dass er sich nicht erinnere.

Puhh, lange Rede, kurzer Sinn: sei nicht allzu enttäuscht, wenn dein Thera sich bei Schubladen-Steckerei querstellt und dir keine Antwort geben wird. Ist glaube ich für Analytiker nicht mal unüblich.



Zitat:
in erster Linie geht es ja um unsere Krankheitsbilder, oder?

Sicher?

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"Vivre, c'est naître lentement. Il serait un peu trop aisé d'emprunter des âmes toutes faites !"

Antoine de Saint-Exupéry


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 Betreff des Beitrags: Re: persönlichkeitsstörung(en)
BeitragVerfasst: Di 5. Jun 2012, 09:03 
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Nee, eigentlich nicht ;)

Stimmt, bei mir sind es auch zwei Störungen - in Frage käme noch die ängstlich vermeidende PS ;) Ich dachte immer, dass er mich eher so sieht, aber ich hab mich mit dem von mir phantasierten Stempel des scheuen Schäfchens nicht wirklich anfreunden können.

Als ich zu ihm ging, hab ich ihm auch sofort gesagt: "Ich glaube, ich bin ein Autist, aber dazu passt einiges nicht". Ich konnte nicht verstehen, wie jemand so aspiemäßig sein kann - und warum das trotzdem nicht passen will!!! Nun weiß ich es.

Klar, ich bin nicht enttäuscht, wenn er nicht sofort einen Stapel Bücher zu 'meiner Störung' auf den Tisch knallt ;) Aber vielleicht sollte er wissen, dass ich weiß (oder ahne), was los ist. Vielleicht macht es das auch für ihn einfacher, mich mit bestimmten Dingen zu konfrontieren. Bisher ist er ja immer noch sehr mit Samthandschuhen unterwegs.


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 Betreff des Beitrags: Re: persönlichkeitsstörung(en)
BeitragVerfasst: Di 5. Jun 2012, 09:27 
O ja, ich hab auch zwei für mich reserviert! Stecke deshalb immer noch in der von zazie beschriebenen Enttäuschung. Für mich wird wohl wieder mal typisch sein dass ich diese Gleichgültigkeit Diagnosen gegenüber für pompöse Überlegenheit hielt: „Lass das Buch zu, ich kanns ohne!“ Ich habe dann kurzerhand gemeint meinen Thera schoffieren zu müssen und mich beim hiesigen Diagnosenzentrum für Polizei und Armee zu melden und sieheda: der endgültige Bericht ist das Schwammigste was ich je gelesen habe. Vielleicht liegen in den DSM-IV Schubladen nur seltene Karikaturen und sollten wir froh sein daraus nur eine Mischung leichter Symptome vorzuzeigen: "wenn ich hier drück tut's da weh...". Da kann vielleicht der Thera auch nur sagen: "Dann drück nich."


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 Betreff des Beitrags: Re: persönlichkeitsstörung(en)
BeitragVerfasst: Di 5. Jun 2012, 09:34 
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Hallo Titus
Selbstverständlich hat mich die Frage um meine DiagnosenN sehr beschäftigt. Ich schien ja so ziemlich alles zu haben, was man produzieren kann. Zum Beispiel die Hysterie - heute hystrionisch genannt. Da hab ich - nachdem ich wieder lesen konnte - gleich mehrere Bücher zum Thema gekauft. Was soll ich sagen? Der darin beschriebene Typ war das pure Gegenteil von mir. Als ich es dann ansprach wurde mir erklärt, dass das hystrionisch sich nur auf meine Reaktionen (dissoziatives "Wegtreten") im Zusammenhang mit Männern beziehe. Für ein par Wochen aber ging es mir deshalb richtig *bescheiden* - verdächtigte ich doch die Berufsleute um mich herum - mir die Unwahrheit gesagt zu haben, wenn sie mich für "zu schüchtern", "zu zurückhaltend" bezeichnet hatten.
Mit dieser Erfahrung im Rücken wurde ich vorsichtig was die Diagnosen anbelangt. MIr wurde bewusst, dass es wohl wirklich immer nur Bruchstücke unseres Verhaltens sind, die man damit bezeichnen kann.
Mein Thera hat lange bevor das Buch von Precht mit dem schönen Titel : "wer sind wir - und wenn ja - wieviele?" auf solche Fragen immer geantwortet: "Frau Timpe - alle Menschen haben vielerlei Anteile in sich. Und wir spielen in allen Begegnungen "unsere" Rollen...Die Grenzen zum Pathologischen sind nicht klar abgegrenzt.
Ich habe weiterhin Literatur zu den einzelnen Krankheitsbildern gelesen. Aber ich habe sie nicht mehr so gewichtet.
Nein- mein Thera war gar kein Freund von Diagnosen. Er sagt immer - damit wird man einem Menschen nicht gerecht. Der Mensch ist viel mehr als seine Diagnose. Ausserdem verändern sich Diagnosen im Laufe einer Terapie. Ich habe in diesem Frühjahr nochmals alle Klinikberichte und die dazugehörigen Diagnosen durchgelesen und war sehr erstaunt, dass die ICD-Bezeichnungen aus den Diagnosen rein- und rauspurzelten..... :ja:

Ich halte es heute für unwichtig.
alles Gute dir
Timpe

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 Betreff des Beitrags: Re: persönlichkeitsstörung(en)
BeitragVerfasst: Di 5. Jun 2012, 10:32 
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Hallo, TimpeTe und gompert,

eigentlich denke ich mir auch, dass so eine Beschreibung nicht meiner gesamten Persönlichkeit gerecht werden kann. Und wenn dann da solche Sachen stehen wie: "Ein Schizoider empfindet keine Dankbarkeit" oder so, dann ärgere ich mich über diese alberne Behauptung. Aber soooooooo viele Übereinstimmungen mit den Diagnosekriterien - das kann eigentlich auch kein Zufall sein. Was ich mich dabei frage, ist, wie sehr gestört ich nun wirklich bin, also auch 'quantitativ'. Dieses Schizoide entsteht im ersten Lebensjahr bei Kindern, die nicht erwünscht waren und deren Bedürfnisse nicht erkannt wurden. Diese Vermutung, dass das bei mir so war, hatte ich schon, bevor ich die Diagnose 'gefunden' habe. Und nun steht da, dass Leute mit so einer frühen Störung auf einem niederen Strukturniveau 'operieren' - damit kann ich mich dann auch nicht wirklich identifizieren - bin ich so einfach gestrickt, dass ich mich nicht klar artikulieren kann? Irgendwie WEISS ich, dass ich schon differenziert wahrnehmen KANN und, theoretisch jedenfalls, zwischenmenschlich sehr viele Phänomene erkennen kann - kann das jemand mit diesem Strukturniveau? Andererseits stimmt es, dass mein Identitätsgefühl ungefähr so stabil ist wie ein Papierhut und dass ich mich bei Kritik sofort bedroht fühle und nicht anders kann, als entweder zu schlucken oder - verbal - zuzuschlagen.

Ich bin da total unsicher, ob ich mir jetzt von irgendwelchen Büchern einreden lassen soll, nicht zu wissen, dass mein Gegenüber ein eigenständiges Individuum ist. Und manchmal, so auch gestern, denke ich, dass mein Therapeut auch meint, mir erst mal erklären zu müssen, dass andere Menschen auch verletzbar sind - Mensch, bin ich wirklich so unfähig, dass ich das echt nicht weiß? :confused: Ich weiß nun also zwar, wie mein Charakter so tickt, aber wie schwer ich dadurch wirklich gestört bin, weiß ich immer noch nicht. Ich glaube, mein Therapeut hält mich für ziemlich gestört :nixweiss: , aber ich selbst kann das nicht so wirklich annehmen - ist vielleicht auch typisch für eine PS, dass man denkt, man selbst sei eigentlich normal, nur die ganzen anderen Milliarden seien 'irgendwie anders' ;)

Und wenn er mir dann erklärt, dass ich durch mein Diskussionsverhalten (ich hab ihm gesagt, dass ich nicht verstehe, wieso einige Leute bei Sachdiskussionen immer so schnell beleidigt sind) verletzen kann, dann trifft mich das wie ein Schlag und ich denke, ich bin der schlechteste Mensch auf Erden. Dabei hat er mir das natürlich gar nicht so vermitteln wollen. Aber wenn man erst einmal anfängt, auf diesem defizit-orientieren Level zu denken, dann kann einen das ganz schon runterziehen. Und das lenkt dann von der eigentlichen Arbeit ab.

Ach so, was ich eigentlich noch sagen wollte :rolleyes: : In diesem Büchern steht auch immer, dass PS - wenn überhaupt - nur schwer zu heilen sind und dass allenfalls eingeschränkte Erfolge zu erreichen sind. Wenn ich aber in Foren lese, dann schreiben da einige Leute mit frühen Störungen, die sich nach ihrer Behandlung eigentlich ganz gesund anhören ;)


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 Betreff des Beitrags: Re: persönlichkeitsstörung(en)
BeitragVerfasst: Di 5. Jun 2012, 11:39 
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Nein, ich selbst hab schon früher Stempel abgelehnt, wobei: die zwei mir aufgedrückten: "Neurose und reaktive Depression" habe ich für eine Weile ertragen müssen. Später auch noch "polytox", weil ich auf dem Höhepunkt meiner Störung alles geschluckt hab, was mir zwischen die Zähne geriet. So als Basis dafür, dass man mir helfen würde, ging das. Heute bin ich heilfroh, nix mehr davon mit mir herumschleppen zu müssen. Eigentlich ein kleines Wunder, wenn ich so zurückblicke ... Das komplette Chaos liegt 25 Jahre hinter mir, der letzte (unfähige!) Therapeut gab vor 10 Jahren die daneben gegangene Abschiedsvorstellung, und ich darf wohl sagen, ich betrachte mich heute als komplett gesundet.

Inzwischen denke ich sehr wohl, dass Psycho-Diagnosen einen auch fesseln können. Sich daraus zu befreien, scheint nicht selten sehr schwer bis unmöglich zu sein. Ich wunderte mich bei einem früheren Mitglied des Forums einige Male, wie sie jedes Anzeichen der Gesundung wieder einzutauschen bereit war, gegen den vermeintlich sicheren Hort der Therapie; ob das wirklich nötig war bzw. ist, frage ich mich heute noch.

Warum nicht "einfach" beschließen, gesund zu sein?! Und den Weg versuchen allein weiterzugehen? An einem gewissen Punkt kommen wir nicht mehr weiter mit der Therapie, so meine eigene Erfahrung, dann gehts um die Praxis, und die beinhaltet Eigenverantwortung und das Loslassen der Therapeutenhand - und auch nur deshalb wage ich es hier in dieser Klarheit zu formulieren: Weil ich es selbst so erfuhr. Den richtigen Punkt für sich zu erwischen, auf eigene Faust das Leben anzugehen (und sich eventuell auch der Stempel zu entledigen), ist allerdings wohl die Herausforderung. Ohne übermächtige Angst geht das vermutlich nur, wenn man sich den Rückweg offenlassen kann.

Yve


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 Betreff des Beitrags: Re: persönlichkeitsstörung(en)
BeitragVerfasst: Di 5. Jun 2012, 11:54 
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Ich hab mich auch schon gefragt, ob man - theoretisch jedenfalls - einfach beschließen kann, gesund zu sein. Ich meine, ich weiß ja so ungefähr, was los ist. Ich bin auch einsichtig und weiß, dass mein Verhalten nicht immer ideal ist. Warum sich also nicht einfach anders verhalten? Aber das funktioniert natürlich nicht, noch nicht. Denn das tief sitzende Misstrauen und die Angst sind ja immer noch da. Und ich glaube, wenn man so früh gestört ist, dann gehört das zu einem wie die Augenfarbe und es ist bestimmt schwierig, sich so völlig umzuorientieren und plötzlich alles positiv und nicht bedrohlich zu sehen.


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 Betreff des Beitrags: Re: persönlichkeitsstörung(en)
BeitragVerfasst: Di 5. Jun 2012, 12:42 
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"Plötzlich" geht es sicherlich nicht. Es wächst allmählich heran, so war es jedenfalls bei mir. Außerdem sollte meiner Ansicht nach, wie bereits geschrieben, eine Zeitlang der Rückweg offenbleiben, quasi als "Sicherheitsnetz".

Ich selbst habe auch lange für die Therapie gebraucht, möchte hier nicht den Eindruck erwecken, es war ganz easy. Nein, das war es nicht, und es gab hinterher noch jede Menge Probleme. Aber ich konnte sie meistern, wenn auch nicht immer auf nachahmenswerte Weise. Vielleicht war es zudem der lange Besuch einer Selbsthilfegruppe, der es mir leichter machte, eines Tages alleine zu laufen ...

Es gibt ein tolles Buch, das ich hier bereits einmal erwähnte; darin erzählt der Autor von seinem Ausstieg aus Therapie und Depression, indem er sein Leben umgestaltete.


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 Betreff des Beitrags: Re: persönlichkeitsstörung(en)
BeitragVerfasst: Mi 6. Jun 2012, 20:12 
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Hallo titus

Zitat:
Ach so, was ich eigentlich noch sagen wollte : In diesem Büchern steht auch immer, dass PS - wenn überhaupt - nur schwer zu heilen sind und dass allenfalls eingeschränkte Erfolge zu erreichen sind. Wenn ich aber in Foren lese, dann schreiben da einige Leute mit frühen Störungen, die sich nach ihrer Behandlung eigentlich ganz gesund anhören


Ach ja - liebe titus....was heisst schon gesund? und was heisst schon krank? Da sind doch die Grenzen "fliessend".................Ich gehöre ja auch zu den Frühgestörten - (ich mag das Wort nicht :zeter: ) Beschädigt träfe es besser!
Und gleichzeitig hat man mir eine hohe soziale Kompetenz attestiert. Es gibt nicht nur schwarz und weiss...Vielleicht happerts an der einen Stelle - dafür kriegt man andere Dinge ganz gut hin...
Und wenn man gut hinguckt - dann haben alle Menschen so ihre Eigenheiten - oder?...
Ausserdem glaube ich nicht, dass Therapiestunden ein Kriterium dafür sind, ob "man" "gesund" ist - oder nicht. Man kann sich auch helfen lassen, ohne "krank" zu sein.

Manchmal denke ich, wir "unterstellen" unseren Therapeuten mehr als nötig, dass sie uns für "gestört" halten. Ich glaube, die wissen ganz genau, dass alle Menschen ihre Defizite haben - aber die, die bei ihnen auf den Stühlen sitzen oder auf der Couche liegen - das sind oft nicht die schlimmsten Fälle....

:wink:
TimpeTe

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 Betreff des Beitrags: Re: persönlichkeitsstörung(en)
BeitragVerfasst: Mi 6. Jun 2012, 20:23 
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für mich war es eine große entlastung als ich meine diagnose, gefunden auf der honorarnote meiner thera als ICD code, im internet gegoogelt, als posttraumatische belastungsstörung, schwarz auf weiß vor mir hatte: endlich wusste ich, dass meine symtome/mein so anders als andere sein, keine einbildung, sondern einen namen hatten und dokumentiert sind.

mlg
ostara


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 Betreff des Beitrags: Re: persönlichkeitsstörung(en)
BeitragVerfasst: Mi 6. Jun 2012, 20:28 
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TimpeTe hat geschrieben:
Manchmal denke ich, wir "unterstellen" unseren Therapeuten mehr als nötig, dass sie uns für "gestört" halten. Ich glaube, die wissen ganz genau, dass alle Menschen ihre Defizite haben - aber die, die bei ihnen auf den Stühlen sitzen oder auf der Couche liegen - das sind oft nicht die schlimmsten Fälle....


das sind die, die vom unbewussten ins bewusste gelangen möchten. die therapeuten haben unglaublich "neugierige" menschen auf der couch, so sehe ich das!

ostara


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 Betreff des Beitrags: Re: persönlichkeitsstörung(en)
BeitragVerfasst: Mi 6. Jun 2012, 21:56 
Ostara ich verstehe die Erleichterung wenn man liest an eine posttraumatische Störung zu leiden. Aber wie wär's dir gewesen wenn da gestanden hätte: anale Persönlichkeit hystrionischer Prägung... ?


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 Betreff des Beitrags: Re: persönlichkeitsstörung(en)
BeitragVerfasst: Mi 6. Jun 2012, 22:07 
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Zitat:
Zitat von gompy: Aber wie wär's dir gewesen wenn da gestanden hätte: anale Persönlichkeit hystrionischer Prägung...


Genau! Die PTB bestätigt einem - einmal Opfer gewesen zu sein. Und das kann in der Tat entlastend sein. Aber all die Begleitdiagnosen - all die "Zahlen" (F's) die damit einhergehen...die sind nicht einfach zu verkraften.
:wink:

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 Betreff des Beitrags: Re: persönlichkeitsstörung(en)
BeitragVerfasst: Do 7. Jun 2012, 07:19 
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Oh, ja, ich verstehe das: Eine PTBS wäre wirklich entlastend - im Gegensatz zu dem, was gompert erwähnt hat. Das wäre für mich so eine Grusel-Diagnose. Irgendwo hab ich gelesen, dass Menschen mit einer PS auch gesellschaftlich eher stigmatisiert sind als Menschen mit einer Psychose, weil man bei Ersteren nur das sonderbare Verhalten sieht und als Laie nicht erkennt, dass das einen Krankheitswert hat. Davon kann ich ein Lied singen! Im Grunde ist das fast genauso schlimm wie die Symptome, dass mir immer gesagt wurde und wird: "Du bist doch nicht normal!" - so als Vorwurf. Und wie erleichternd war es dann, als mein Therapeut meinte, es sei 'ganz normal', dass ich so bin, wie ich bin, weil eben mein Umfeld damals auch nicht gerade bombig war!

Ich will halt einfach nur wissen, ob wir in der Therapie von denselben Dingen reden. Also, wenn ich denke, ich hab eine schizoide PS, dann wäre es doch komisch, wenn der Therapeut denkt: "Naja, die hat schizoide Züge, aber so richtig pathologisch sind diese Eigenschaften nicht, und die Probleme liegen eigentlich woanders". Mir fehlen da einfach die Vergleichs'werte', was mein Verhalten betrifft.

Stimmt, TimpeTe, ich mag das Wort 'gestört' auch nicht, obwohl ich es immer selbst verwende. Aber da liegt der Fokus mir auch zu sehr auf dem gestörten und (die Gesellschaft) störenden Verhalten, obwohl wir uns das ja auch nicht ausgesucht haben und ja gar nicht stören WOLLEN.

Und es stimmt auch, ostara, dass man als Mensch mit einer PS vermutlich schon den größten Schritt getan hat, wenn man sich erst mal in Behandlung begibt. Soweit ich weiß, ist es ja gerade typisch, dass man als ps-gestörter gar nicht erst die Einsicht hat, ein Problem mit sich zu haben.


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 Betreff des Beitrags: Re: persönlichkeitsstörung(en)
BeitragVerfasst: Do 7. Jun 2012, 10:55 
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So, jetzt bin ich auf dem neuesten Stand ;)

Er war heute etwas verwundert, dass ich mich so 100%ig in dieser schizoiden Störung wiederfinde, obwohl er die schizoiden Züge natürlich auch bemerkt hat (sonst hätte ich mich auch etwas gewundert). Aber, ähnlich wie bei dir, TimpeTe, meinte er, dass diese Eigenschaften nur meine Verarbeitung auf meine Probleme darstellen und er sieht mich eher woanders - naja, ich hab nicht mehr so genau nachgefragt, aber er hat von einer gravierenen Selbstwertproblematik gesprochen und es fiel das Wort 'narzisstisch' :ganter: Allerdings sehe ich mich nicht wirklich als Narzisst wie aus dem Lehrbuch, aber ich weiß so ungefähr, was er meint.

Grundsätzlich - völlig überraschend ;) - meinte er, dass Diagnosen sinnlos wären, wenn sie nur dazu dienen, die Leute zu stigmatisieren, und gerade die schizoide PS sei für ihn ein "Hammer", weil das historisch halt von der Schizophrenie abgeleitet worden ist. Er meinte, dass er es schäbig findet, wenn Therapeuten und Ärzte so über (oder mit) Patienten reden, indem sie sie mit diesen Diagnosen konfrontieren und etikettieren. Und dass Diagnosen halt im Prozess entstehen und sich verändern.

Er hat mich gefragt, ob ich genau wissen möchte, was er damals in den Antrag geschrieben hat, und ich habe verneint. Damit war das Thema erledigt.


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 Betreff des Beitrags: Re: persönlichkeitsstörung(en)
BeitragVerfasst: Do 7. Jun 2012, 19:08 
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gompert hat geschrieben:
Ostara ich verstehe die Erleichterung wenn man liest an eine posttraumatische Störung zu leiden. Aber wie wär's dir gewesen wenn da gestanden hätte: anale Persönlichkeit hystrionischer Prägung... ?


lieber gompert,

mir genügte PTBS, mehr wollte ich gar nicht wissen oder hätte ich schwer verkraftet. ich habe zwar anfangs nachgelesen, doch all die symptome und kriterien haben mich nur verwirrt. so ließ ich die finger davon. meine therapie wurde ja immer wieder verlängert und so läpperten sich sieben jahre am stück zusammen. ich erinnere mich noch gut, als mich die thera nach dem ersten genehmigten stundenkontingent (ich glaub, es waren 60 stunden) fragte, ob es mir eh recht sei, wenn sie um verlängerung ansuche, stürzte mich das in tiefe verzweiflung: bin ich wirklich sooo gestört! meine neugierde meldete sich schon, wenn dann immer wieder weitere stunden genehmigt wurden: was hat sie reingeschrieben? doch eine innere stimme hielt mich immer wieder davon ab, nachzufragen. und ich denke, das war gut so für mich. es hätte mich "manipuliert", blockiert, festgelegt.

du siehst, wenn da wie bei dir irgendeine spezifischere diagnose gestanden wäre, hätts mich aus den socken gehauen, womöglich.

mlg
ostara


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 Betreff des Beitrags: Re: persönlichkeitsstörung(en)
BeitragVerfasst: Do 7. Jun 2012, 19:11 
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titus hat geschrieben:
dass man als ps-gestörter gar nicht erst die Einsicht hat, ein Problem mit sich zu haben.


dafür hat man ganz viele probleme mit anderen und meint den anderen als ursache ausmachen zu können. und wenn der leidensdruck groß genug ist, macht man den ersten schritt. ;)


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