Lebenslagen

Psychotherapie ist ein Ersatzmittel. Der Therapeut ist eine Metapher für Eltern, für die Welt usw.
Die Beziehung zu ihm ist eine Hyperbole, ein Film in dem man völlig aufgeht. Idealerweise.

Gab es aber in euerem Werdegang Vorfälle, Menschen, Beziehungen oder gar Perioden die therapeutisch waren? So therapeutisch dass sie die Qualität des Profis überstiegen? Therapeutischer als die Therapie?

Hey Gompy, gute Frage.

Ich versuch das für mich mal einzukreisen, ist gar nicht so einfach..

Was ich kenne in privaten und auch beruflichen Beziehungen ist das, was man glaub ich 'Übertragungsheilung' nennt. Also eine Zustandsbesserung durch, aber mehr für den anderen. War dieser andere weg, brach das ganze System wieder zusammen. Sowas hatte ich mit Freunden, mit meinem Partner und auch schon mit Kollegen und Vorgesetzten. Und im Grunde hab ich sowas auch in der Therapie, aber eigentlich nur, weil ich es da draußen im wahren Leben so nicht mehr haben will. Ich will nicht, dass es mir nur gut geht, solange dieser andere da ist, das macht ja total abhängig. Von meinem Therapeuten bin ich auch total abhängig, aber der kann mir nicht so schnell abhauen wie ein Ehemann!

Man könnte also sagen, ich kenn das, in bestimmtem Umfang, aber befreit hat mich da nichts. Zudem haben die außertherapeutischen Beziehungen den Nachteil, dass man nicht so viel über die Beziehung reden kann. Eine private Beziehung würde man killen mit so viel 'Beziehungsarbeit'. Und kein Ex-Parter ist wohl bereit, die Trennung gemeinsam mit dem Verlassenen oder Verlassenden Ex aufzuarbeiten oder eine Trennung in diesem Ausmaß vorzubereiten, wie man es in der Therapie erwarten kann.

Das ist jetzt aber nur mein Horizont. Darüber hinausgedacht würde ich sagen, vorstellen könnte ich mir das schon. Dass zB Ehepartner über viele Jahrzehnte zusammen bleiben und sich ständig und aneinander nicht nur abarbeiten und ihre kranken Systeme gegenseitig stabilisieren, sondern sich tatsächlich aneinander weiterentwickeln. Ich kenn solche Paare zwar nicht, aber ich hör nicht auf mir zu wünschen, dass ich mal eine Hälfte von einem bin.

Nochmal ganz anders betrachtet könnte man auch sagen: Jede engere Beziehung und jeder Arbeitsplatz den ich hatte, waren eine Weiterentwicklung. Irgendwie. Auch wenn es ziemlich schwierig ist, sich aus diesem übermächten Knäuel pathologischer Strukturen rauszuarbeiten. Aber ich möcht ehrlich gesagt auch nicht mehr ganz von vorne anfangen müssen.

Man könnte auch sagen: Irgendwie ist das ganze Leben Therapie.

Ja, das gabs. Aber eines erwähne ich jetzt nicht ...

Lange Zeit war auch der abendliche Sportgang mit einer Freundin besser als Therapie. Sie war da für mich, ich war da für sie, und wir konnten uns aussprechen und zudem ausagieren, war wirklich super.

Wir haben beide dasselbe füreinander bedeutet, und ich weiß nicht, wo eine ohne die andere in dieser Zeit geblieben wäre, hatten beide jede Menge Stress; eine Therapie hätte das, vor allem das Tägliche, Ausgleichende, nicht leisten können.

Überhaupt Menschen. Menschen in den Selbsthilfegruppen, in denen ich war - sooo hilfreich. Danke an alle diese ...

LG Yve

Um nicht zu sagen: Das Leben ist die beste Therapie ("tröstlicher" Spruch einer Psychoanalytikerin, die mich nicht in Therapie nehmen wollte - hielt mich wohl für einen aussichtslosen Fall)...

Hallo Gompy
Ja, das habe ich schon erlebt. Mit meinem Nachbarn, Hausmeister und Seelenfreund
in einem.
Ich würde sagen, er war der wichtigste Mann in meinem Leben,
obwohl ich ihn nur 5 Jahre lang "hatte".
Dieser Mann hat mir vorgelebt, wie man leben kann.
Wie man für sich selbst und andere sorgt. Wie man gücklich ist.
Ich bin ihm so dankbar.
Er hat mir auch gezeigt, wie man einige Dinge mit etwas mehr Selbstironie
etwas einfacher betrachten kann.
Ich weiß noch wie ich vor ca 10 Jahren bei ihm in der Küche saß
und ihm die Ohren vollheulte, dass ich keinen Freund habe, alles scheiße und überhaupt.
Er hat mich dann so weinerlich nachgemacht und gesagt:
Ich bin vierundzwanzig, ick habe genug gelitten...

Oder als ich ihm vorquakte, dass ich immer so wenig Geld habe.
Da beugt er sich verschwörerisch vor und flüstert:
Komm mal her, ick kenn ein Geheimrezept.
Ich halte ihm ganz gespannt mein Ohr hin und er wispert: Sparen!

Einmal hat er (52) meinen Wasserkasten repariert, ich (23) stehe daneben,
und starre ihm auf die Finger und gebe kluge Tipps.
Er kauert vor der Toilette, schaut nach oben und sagt:
Dein Freund tut mir jetzt schon leid.

Ach er hatte einfach diesen herrlichen, englischen Humor.

Er hat mir aber auch andere Sachen gesagt:
Du bist kostbar!
oder:
Ich habe dir nie versprochen, dass es einfach wird,
aber ich lasse dich nie im Stich.

Leider verstarb er mit 54.

Einmal waren wir zusammen auf einem Konzert und standen in der ersten Reihe,
als die Menge am dollsten jubelte und klatsche, da nimmt er mich bei der
Schulter, dreht mich um und schreit:
So ist es wenn man berühmt ist!
Wir haben dann so getan, als würden die Leute uns feiern und nicht
die Band auf der Bühne. Toll!

Editiert: Foto auf Wunsch entfernt

Das war er. Der tollste Brite, den man sich vorstellen kann!

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Alles ist möglich

oh, Bouncy, bin sprachlos, das ist ja wundervoll.... ganz schön....

Ich finde das auch sehr rührend Bounce.

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Wir werden nicht immer älter, sondern wir bleiben immer länger jung.http://www.horx.com/MedienHighlights/BestLife_2004-12.pdf

Herzerwärmend.....

RIP, toller Brite.

Ganz süß..

Augustine schrieb:


...und gerade das fände ich eine hervorragende Idee, hochtherapeutisch. Obwohl ich Kontakte zu exen nicht pflege, finde ich jede rigorose Trennung eigentlich Kapitalvernichtung. Exe verfügen über wertvolles Material über einen, ob das nun Wahrheiten oder Missverständnisse sind. Beide müssten gegen das Licht gehalten werden. Also ich wär sehr dafür. Könnt ich endlich mal los werden was für ein Miststück sie eigentlich ist...

Oh Gompy, neeee, was für eine Vorstellung. Bei uns würde das zu Mord, Doppelmord oder Sex führen. Das ist doch alles total eklig...

Aber weißt Du Gompy, was mich jetzt mal noch ganz dolle interessiert..? Was hat Dich zu der Fragestellung bewegt? Wie ist das denn in Deinem Erleben?

Hallo Bounce,

hast du ein Glück!

Auch ein Kleinod:


Gruß
Anastasius

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"Wer seine Gedanken und Hoffnungen auf etwas richten kann, das jenseits des Ichs liegt, wird einen gewissen Frieden inmitten der unvermeidlichen Lebenssorgen erringen. Das ist den reinen Egoisten unmöglich." (Bertrand Russell)

ähm... weil ich denk grade ich bininsowasdrinne...

Nee Maischa2, eben nich, sondern in einer ähnlichen Situation wie Bounce beschreibt, in der ich eigentlich mehr Einsichten und Gefühlsregungen empfinde als in der Therapie.

gompert, läuft es denn scheiße in der therapie? ic hör ein bisschen, ach, eigentlich brauch ich das gar nicht.

ansosten, weiß ich was du meinst. ganz wichtig für mich, die freundschaft zu einer frau, die 30 jahre älter ist als ich, mit deren mann ich ein verhältis hatte und die heute meine beste freundin ist...

Ach maischa, das ist nicht so einfach zu erklären.
Ich habe ihn ja fast täglich gesehen und er hat es einfach vorgelebt.
Er hat mir das mit dem Buddhismus nahegebracht. Nichiren Daishonin, SGI.
Wir haben viel zusammen "gechantet" (laut meditiert) und gesprochen.
Ganz oft hat er mir auch aus der Gosho (Schrift von Nichiren) vorgelesen.
"Leiden Sie worunter man leiden muss,
und freuen sie sich, worüber man sich freuen kann.
Betrachten Sie Leid und Freude als Tatsache des Lebens."
Es geht auch ganz viel um Hoffnung.
"Jeder Winter wird zum Frühling!"
So Sachen eben.

Ich denke, er hat auch einfach eine Vaterrolle eingenommen,
das habe ich natürlich wie ein Schwamm aufgesaugt.
Ein älterer Mann, dem ich nicht egal war.
Und er hatte so viel Witz!
Im Grunde könnte ich einen eigenen Thread für/über ihn aufmachen.




Gompert!

Genießen!!

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Alles ist möglich

Dort wo ich (im positiven Sinne) heute bin, dort bin ich nicht nur durch Therapie, sondern auch durch das, was im ganz normalen Leben 'therapeutisch' nutzbar war, mich weiter gebracht hat. Das war so auch notwendig. Ich hab mit Anfang 20 schon mal eine Tiefenpsychologische Therapie gemacht und war gar nicht fähig die so zu nutzen, wie ich heute die Analyse nutzen kann. Deswegen hab ich die Lebenskrisen, die Konflikte, die Begegnungen, die persönlichen Katastrophen, so wie sie waren, eben 'gebraucht'.

Älter (und damit körperlich beschädigter) werden ist schrecklich, aber ich möcht auch keine 20 mehr sein.

???? wie geht das denn?.....Du hattest mit ihrem Mann ein Verhältnis und heute ist sie deine beste Freundin????.....weiß sie von dem Verhältnis????


ich kapier das grad nicht.....aber, so läuft das Leben eben wohl manchmal.....

LG
Laura

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Ich sehe und fühle mich zum ersten Mal wirklich.
Das bedeutet nicht, dass jetzt alles gut ist - aber dass Vieles erst jetzt besser werden kann.

Ach doch, das versteh ich schon. Das einzige was Frauen noch stärker verbindet, als ein gemeinsamer Liebhaber ist ein gemeinsamer Ex-Liebhaber..

Zu dem Thema gab es vor einiger Zeit auf arte einen Kurzfilm.

Eine alte Dame besucht das Grab ihres verstorbenen Gatten und trifft dort auf seine ebenfalls hochbetagte ehemalige Geliebte. Die beiden hassen sich wie die Pest und zanken sich. Auf dem Rückweg fällt die ehemalige Geliebte in ein frisch ausgehobenes Nachbargrab. Die Witwe lässt verlässt den Friedhof und lässt die Rivalin in der Grube schmoren. In der Dämmerung irgendwann treibt ihr schlechtes Gewissen sie zurück zur Fallgrube und reicht der Geliebten einen Regenschirm oder Rechenstiel, um sie zu bergen. Dabei fällt die Witwe ebenfalls in die Grube. Und so sitzen die beiden dort und können nicht voreinander fliehen. Nach langem gehässigen Schweigen teilt die eine mit der anderen ihr mitgebrachtes belegtes Brot. Und irgendwann können auch die beiden alten Frauen nur noch lachen über diese vollkommen absurde Situation. Irgendwann werden sie von Friedhofsmitarbeitern gerettet und verlassen als frisch Versöhnte den Friedhof. Ich glaube, sie zanken sich noch ein bisschen weiter, aber ganz liebevoll.

Ein kleiner Film über eine hochtherapeutische Begegnung fern aller Therapie. (Ich weiß leider nicht mehr, wie er heißt). Großes Kino.

@Augustine:lol: Ist ja witzig.



Schön Bounce.

Ja bei mir war es so:
Bis Mitte 20 führte ich ein ziemlich chaotisches Leben, ohne Therapie, dann lernte ich meinen Freund kennen,
der brachte Ruhe und Übersicht in mein Leben.Und alle positiven Gedanken,die ich früher z.B. bei meinen Eltern nie erfahren habe,die waren immer negativ drauf. Aber nach 15 Jahren wurde es mir irgendwie zu ruhig, unsere Beziehung, das Leben nicht,denn da hatten wir ja schon zwei Kinder,
dann habe ich eine Therapie gemacht, die hat mich irgendwie auch nicht wirklich getragen,aber vielleicht
doch das Schlimmste verhindert, Ob nun Mord oder Selbstmord bleibt mal dahingestellt.
Und nun tümpel ich so vor mich hin und müßte mal dringend irgendwo einen Neuanfang machen.
Nur irgendwann bin ich dann auch zu bequem geworden und schieb das immer vor mir her.

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Wir werden nicht immer älter, sondern wir bleiben immer länger jung.http://www.horx.com/MedienHighlights/BestLife_2004-12.pdf

Ich hab mich in Teilen etwas falsch erinnert. Es ist kein Regenschirm, sondern eine Angelrute und sie teilen nicht nur das Brot, sondern auch den Schnaps.

Eine Pointe hab ich total vergessen. Wen's interessiert:

http://videos.arte.tv
/de/videos/grabpflege-3877420.html

mensch augustine, den film würde ich wirklich gerne sehen....

ja, sie weiß von dem verhältnis. wir habn ihn dann zusammen tod gepflegt. am anfang hat sie mich gehasst. das war mit das schwerste, was ich getan hab im leben, da immer wieder hinzugehen, obwohl ich gewusst hab, sie würde mir am liebsten die augen auskratzen. (immer wieder zur therapie gehen, hat was ähmliches, ist aber nicht ganz so schlimm) und irgendwann nachst um drei haben wir eine flasche wodka zusammen geleert und sie hat geflucht: scheiße, jetzt hab ich dich doch in mein herz geschlossen...das war so eine unglaubliche erfahrung von angenommen werden, von so richtig sein,trotz alledem...schnief