ich wage es mal, diesen alten Thread hochzuschupsen. Ich oute mich jetzt mal als Systemstellanhängerin
Mir hat das Stellen immer wieder sehr geholfen, i.d.R. als eine Maßnahme eines ganzen Bündels. Also, wenn da jemand was genaueres wissen will.. allerdings mache ich es nur im Rahmen meines Eigenprozesses, also ich habe nicht gelernt, selbst zu stellen. Die Hintergründe der Methode an sich müsst ihr daher eher in der Literatur recherchieren.
Zum Thema an sich:
zu den transgenerationalen Übertragungen gibt es zum Glück mittlerweile auch etliche wissenschaftliche Untersuchungen. Wie die Sache mit dem Stellen nun genau funktioniert, darüber gibts noch keine gesicherten Erkenntnisse. Für mich ist das aber alles eine Frage der Messmethoden, wie so vieles auf der Welt. Von Spiegelneuronen wusste bis vor ein paar Jahren auch niemand was. Und die sind aber sehr entscheidend bei diesen Übertragungen. Es ist ja z.B. bekannt, dass Kinder von Alkoholikern oft eine sehr feine Wahrnehmung entwickeln, weil sie früh lernen müssen, die Körpersprache ihres unberechenbaren Elternteils zu lesen, um sich möglichst schützen zu können. Ich denke mal, über diesen Weg läuft so einiges.
Depressionen: ok, es werden da auch genetische Faktoren mit reinspielen, wobei es mit der Genetik aber immer so eine Sache ist: ob die wirklich zum Tragen kommt, dafür sind oft soziale Faktoren ausschlaggebend.
Wenn ich als Baby/Kind in der Symbiose mit der Mutter bin, und so gesehen nichts anderes kenne als die Mimik und Gestik, sowie Tonfall, Wortwahl usw einer Depressiven (gilt auch für andere Störungen/Krankheiten), dann werde ich die automatisch übernehmen.
Und es gibt immer eine Wechselwirkung zwischen Körper und Seele. D.h. ich kann z.B. durch Körperpositionen bestimmte Stimmungen, innere Haltungen, Befindlichkeiten in mir auslösen. Man kennt das aus der Körperarbeit, Theaterarbeit, auch in Kommunikationsseminaren wird mit diesem Effekt gearbeitet (z.B. der Unterschied, wenn ich im Stehen oder im Sitzen telefoniere).
Wenn ich mich also in so ein Kind reinversetze, dann wird das verständlicher, dass dieses Kind auf diese Weise auch das Lebensgefühl seiner Bezugsperson übernehmen wird. Im Laufe der Entwicklung kommen natürlich andere Prägungen und auch die eigenen Anlagen stärker durch, zum Glück. Aber frühe Prägungen sind wie Fingerabdrücke, wir werden sie nicht mehr los. Aber wir setzen ihnen etwas im Laufe unseres Lebens entgegen, unsere eigenen Nuancen sozusagen. Daher sind solche Übertragungen zum Glück kein Schicksal, das uns an unserem eigenen Weg hindern muss.
Zu der anderen Art der transgenerationalen Übertragungen, nämlich Verstrickungen über Generationen, mit denen beim Systemstellen gearbeitet wird: es gibt die Ansicht, und die teile ich, dass es die Aufgabe unserer Generation ist, Verstrickungen zu lösen, die aus den vorigen Generationen (Kriegs- und Nachkriegsgenerationen) stammen. Denn wir haben heute Zeit, Wissen und das Geld dafür, dies zu können. Jene Generationen mussten sich abspalten, wegsehen, verdrängen, um zu überleben. Und es fehlten die gesellschaftlichen Strukturen und das Wissen, um z.B. mit psychischen Dingen so umzugehen, wie wir es heute können. Ich kenne es auch aus meiner eigenen Erfahrung, dass es ein Mindestmaß an Existenzsicherung braucht, um sich für Selbsterfahrung, Selbstentwicklung überhaupt interessieren zu können.
Wie genau das nun funktioniert, dass z.B. Menschen auf bestimmte Plätze in ihrem System rutschen, weil da was nicht oder ungünstig zwischen Eltern und Großeltern lief, weil da vielleicht mal ein Tod nicht betrauert oder gar verschwiegen wurde, oder ein Gewaltverbrechen im Krieg geschah, und was es da so alles gibt, das kann ich euch hier auch nicht genau erklären. Wie gesagt, da gibt es unterschiedliche Ansätze und wissenschaftlich erwiesen ist noch nichts.
Mir hat das Stellen jedenfalls immer wieder sehr geholfen. Es eignet sich aber nicht nur für das Lösen von transgeneratonalen Übertragungen, sondern auch z.B. für das Integrieren der eigenen Anteile. Ich hab mal mich und mein inneres Kind gestellt, das war ein echter Durchbruch. Allerdings gingen dem gut 15 Jahre viel Eigenprozess mit Hilfe körper- und kreativtherapeutischer Methoden, sowie Verhaltenstherapie voraus.
Also eine Wundermethode ist auch dies nicht. Und ohne Vorerfahrung würde ich dies nur empfehlen, wenn man einen entsprechenden therapeutischen Rahmen hat. Auch bei der Auswahl der Steller muss man gut gucken. Ich hab da immer Glück gehabt und kann nur sagen, es gibt wirklich gute, die auch eine hervorragende Vor-und Nachsorge betreiben.
Wenn ihr in Therapie seid und ein Systemstellen machen wollt, sollte der Therapeut da aufgeschlossen sein. Sonst stelle ich mir das eher kontraproduktiv vor. Ich bin da ziemlich klar, als ich eine Verhaltenstherapeutin aufsuchte, hab ich erstmal klargemacht, dass ich aus der Körpertherapie komme, manchmal sehr unkonventionelle Wege gehe, und wenn sie da abgewunken hätte, dann wäre ich nicht bei ihr geblieben. Da muss schon ein gemeinsamer Draht sein, sonst kann ich nicht arbeiten. Und auch in einer konventionellen Therapie mache schließlich ICH die Hauptarbeit und nicht der Therapeut.
Wir haben leider in Deutschland (weiss nicht, wie es in Österreich und der Schweiz ist) dieses Konkurrenzdenken zwischen Schulmedizin und alternativen Methoden, sowohl im physiologischen, wie auch im psychologischen Bereich. In beiden Bereichen habe ich aber immer wieder von der Vielfalt profitiert, wenn die ganze Bandbreite gleich-wertig zur Verfügung steht. Zum Glück habe ich auch immer meine Leute und Orte gefunden, wo dies möglich war.
So, das war jetz etwas länger und auch persönlicher. Also wenn ihr Fragen zum Stellen habt, vll kann ich etwas Licht ins Dunkel bringen
PS: noch ein Buchtipp für die, die sich mehr mit den Prägungen der (Nach-)Kriegsgeneration beschäftigen wollen, und warum es da oft solche Gräben zwischen unseren Elten/Großeltern und uns gibt: "die vergessene Generation" von Sabine Bode