Di 3. Jan 2012, 20:11
Heute ist endlich ein Tag wo es mir leichter wird um die Seele.
Die letzen Wochen waren so grausam dunkel.
Weihnachten noch nie so bedrückend, es ist einfach so viel gewesen, das weh tat.
Erst stand ich da vor der verschlossenen Tür bei Fr. Dok, die so sehr herbeigesehnte Stunde ging verloren, sie hatte abgesagt, ich hab die Nachricht nicht bekommen und stand dann da, völlig allein in einem stockfinsteren Stiegenhaus. Ich hab zwanzig Minuten gewartet, wollte einfach nicht wahrhaben, dass sie nicht kommt.
In mir nur die ständig dröhnenden Worte des Mannes der mich reingelassen hat: die Frau x ist aber nicht da, ist im Krankenhaus...
Ich wollte zwar zu Fr. y aber der Mann konnte sich ja auch geirrt haben.
Auf dem Heimweg erst bekam ich eine Antwort auf mein SMS, das ich dann doch geschickt habe. Fr. Dok hat sich schon zweit Tage vorher tel. bei mir gemeldet, sie ist krank. Aus... mehr nicht, aber immerhin, sie war noch am Leben und konnte schreiben!
Doch über die Feiertage war meine Fr. Dok. für mich doch die ganze Zeit schwer krank und ich hatte nur Angst sie nie wieder zu sehen....
Und dann war da die letzte Stunde vor Weihnachten bei Thera, die war auch so ohne Boden unter die Füße zu bekommen:
Da steh ich wieder in der Einfahrt, ein eisig kalter Wind fegt den Regen die Straße hinunter.
Mir ist so kalt und ich hab eine so schreckliche Angst in mir, ich zittere äußerlich genauso wie innerlich.
Zwei Minuten vor der Zeit werde ich aus meinem Versteck vertrieben, ein Auto will da ausgerechnet jetzt reinfahren. Ich schubse mich zur Eingangstür und drücke die Glocke. Nichts….irgendwie wundere ich mich nicht mehr. Die Tür bleibt zu. Na bitte nicht hier auch….oder kann ich jetzt nicht mal mehr Türglocken richtig bedienen????
Endlich ein vertrautes Summen … ich drücke ganz fest gegen die Tür und bin endlich in der breiten Hauseinfahrt. Ha, fein Wind und Regen dürfen hier nicht rein. Das Stiegenhaus, wie eine Hürde liegt es vor mir, doch anders als in meinen Träumen laufe ich schnell hinauf, in jedem Stockwerk geht netter Weise das Licht an. Bei Fr. Doktor muss ich noch mal warten, schon wieder ist eine Türe zu, doch ich höre schon ihre Schritte und dann erwartet mich ein so freundliches Lächeln, alle Angst dahin und nur noch ganz wenig davon bleibt als leiser Nachhall. Ich schubse meinen Rucksack hinter meinen Stuhl und das rote Säckchen dazu (psssst… mein Weihnachtsgeschenk für die geliebte Thera) so Jacke über die Lehne, wie geht es jetzt weiter?
Ich schaue mir ihr Gesicht ganz genau an, Ihre freundlichen Augen, sie wirken so müde…sie fragt mich gleich so viel, ich kann gar nicht richtig denken, es ist alles wie leergefegt in mir, ihr Sorgenmensch, wie und ob und trau mich nicht und muss doch fragen…
Keine Besserung und ganz viel Schlimmes war da…...oh Gott, arme Thera, armer Sorgenmensch.
Thera verscheucht den allzu präsenten Tod. Sie will wissen wie es mir in der Arbeit geht und wie zu Hause und wie ist das mit der anderen Fr. Doktor. Ich versuche Thera’s Fragenflut hinterherzukommen, irgendwie will das nicht, es ist als ob ich durch eine dicke Nebelsuppe ohne jeglichen Orientierungspunkt laufe. Prima, so hab ich mir die Stunde gewünscht. Und Thera wirft sich mit aller Macht in den Kampf um mich stark zu machen und sagt dabei lauter schreckliche Dinge, über Mutter und die Familie und dass ich etwas tun muss, es müsse jetzt sein und die Zeit ist doch so kostbar und sie wollen doch ihr Ziel erreichen! Hilfe, all das hatten wir doch schon und…
hups, welches Ziel denn, ich hab doch gar keines, oder hab ich das auch vergessen? In meinem Kopf schwirren nur noch Blumenladenrechnungen und Mutter, die Brüder, der bevorstehende Weihnachtsabend, die Reise, meine Angst und meine Wut und die letzen Bilder auf das Wildeste durcheinander. Und es endet wie immer mit dem trostlosen Bild, dass leise völlig alleine übrig bleibt.
Hilfe, so wird das heute nichts, wir kriegen einander nicht zu fassen, ich sehe Thera so zielstrebig versuchen mich auf die Beine zu stellen, doch so geht das gar nicht. Thera was ist denn nur los, merken sie nicht, dass wir heute zwei verschiedene Sprachen sprechen? Ich kann einfach nicht folgen, mutlos lande ich wieder in meinem Bild, da ist eines für das ich mich so schäme, dass ich gar nicht die richtigen Worte finde um es Thera zu sagen.
Sie gibt jedoch nicht auf und versucht meiner Sprachlosigkeit genauer auf den Zahn zu fühlen, bewusst lässt sie mich alleine mit dieser Leere, und mit diesem Gefühl für mein inneres Bild keine Worte zu haben. Sie meint dann sogar, wenn ich es nicht beschreiben kann ist es vielleicht gar nicht da und es steckt etwas anderes dahinter. Na, jetzt ist es ganz vorbei, hoffnungslos muss ich hinnehmen, dass trotz all der freundlichen Zugewandtheit heute etwas Unerbittliches zwischen uns steht. Ich verdränge das aufkeimende Gefühl des erneuten verloren Gehens und versuche ein anderes Seil zu ergreifen, das sie mir hinhält.
Zu all dem kommt dann noch, dass ihr Handy losdongt, die Stunde ist wohl schon vorbei, und da ist sie wieder diese eiskalte Panik die so machtvoll nach mir fasst. Ich würge die Tränen hinunter….BITTE irgendeine kleine Übereinstimmung muss sich doch noch finden lassen, wie nur, soll ich die nächsten Tage aushalten, ich kann das doch nicht mehr.
Mit dem Mut der Verzweiflung spreche ich dann etwas aus, das ich mir inzwischen ehrlich wünsche…. Thera sieht mich groß an und freudig, doch dann merkt sie gleich an:“Sehr gut, aber erst kleine Schritte, es würde nicht gehen.“ Sie braucht es gar nicht aussprechen, ich weiß, sie hat recht und Traurigkeit legt sich wieder ganz schwer auf mich.
Die Zeit ist um, erbarmungslos ist der Zeiger der Uhr in seinem Tempo vorangelaufen, rücksichtsloser Kerl! Ich angle mein Weihnachtsgeschenk hervor und überreiche es verlegen aber doch innerlich sehr froh und stolz, dass ich es doch noch heute Nacht geschafft habe.
Es ist nicht so wie ich es gerne gehabt hätte, es ging nicht, es war einfach nicht die Kraft dafür da, ich möchte ihr das so gerne sagen, doch auch das gelingt nicht. Thera nimmt mich gar nicht ernst und fasst schwungvoll nach einem kleinen Päckchen, das auf dem Fenster, hinter dem Vorhang versteckt lag. „Ich hab auch ein kleines Geschenk für sie,“ freudig stahlend.
Ich freu mich riesig, das habe ich nicht erwartet und egal was es ist, ich weiß schon jetzt ich werde es ganz furchtbar gerne mögen und ich hab da einen riesigen Schatz, innerlich hopst die kleine leise vor Glück in die Luft.
Wir stehen schon bei der Tür, ich krieg wieder nicht die richtigen Worte heraus bei der Verabschiedung, fix noch mal, was ist denn heute nur los!!!!
So eine verlorengegangene Stunde und Thera kann da gar nichts dafür, leise war heute so blöd! Ich versuche auf dem Weg durch das Stiegenhaus innerlich zu retten was zu retten geht. Hier bleiben, irgendwo auf einer Stufe und wenigstens ein kleines Bisschen „Thera-Nähe und Übereinstimmung und gemeinsames Vorankommen“ so noch fühlen dürfen.
Das Licht geht aus, na das kommt mir doch bekannt vor.
Wieder ein stockfinsteres Stiegenhaus, doch dieses Mal ist die Dunkelheit tröstlich, verhüllt was quälend nicht besprochen werden konnte und macht einen kleinen Moment zugleich spürbar. Thera hat mir zum Abschied ganz fest die Hand gedrückt und dann auch noch so, so wie ich es bei meiner kleinen Nichte mache, über den Arm gerubbelt, so als ob sie sagen möchte, nur Mut es wird schon, bin da, spürst du mich?
Ein schönes Gedankenbild in mir, eines das auch ich gerne an die Kleine weitergebe und auch an Freundinnen die ich sehr gerne mag. Ein kleines wertvolles Fühlbild in mir für das ich eine ganz feine sanfte Dankbarkeit empfinde. Ich möchte es gerne noch ein wenig fester in mir verankern, doch da geht hinter mir eine Türe auf, das Stiegenhauslicht taucht die Welt wieder in ihre grelle Wirklichkeit, erschrocken packe ich mich zusammen und ergreife wehmütig die Flucht. Verjagt aus einem so kurzen und doch so wertvollen „ich bin da-Moment“.
Draußen bläst der Wind noch immer unbarmherzig nass und kalt.
Ich kann es nicht ändern, heiße Tränen bahnen sich wieder einmal ihren Weg. Es tut schon wieder so weh und es gibt kein Zurück, ich muss alleine weiterlaufen, in mir zittert alles genau wie am Anfang. Wie soll das gehen, wie soll das nur gehen, ich habe schon in der Stunde so versagt und es ist einfach so viel, dass das ausgehalten werden muss.
So ging ich in die Weihnachtstage, und es war noch nicht genug.
Ausgerechnet am 25. kamen neue grausige Bilder....
Weihnachten, eine Zeit, wo man sich nicht traut über diese Themen zu schreiben.
Missbrauch und Weihnachten...das passt nicht, da ist man dann noch mehr allein.
Es war eine wirklich finstere Zeit!
Doch dann, kaum war Silvester vorbei war da ein ganz lieber Neujahrsgruß von Thera auf einmal da, ich war so froh draüber und heute, heute endlich in der Arbeit hat sich Fr. Dok. gemeldet. Sie ist wieder gesund!!!!!
Heute ist endlich wieder einmal alles etwas leichter in mir.
leise