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 Betreff des Beitrags: Mütter, Väter, Kinder
BeitragVerfasst: So 21. Okt 2012, 07:28 
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huhuuu liebe bouncy

Ja - einen solchen Thread wollte ich eigentlich schon lange eröffnen. Ein Thread für alle die zum Thema Mutter, Vater, Kind etwas "los-werden" wollen/müssen - egal aus welcher Perspektive das dann sein wird....
**********************************************************************************************************

Als Tochter einer Mutter spüre ich, wie sehr ich jene Anteile in mir ablehnen muss, die ich auch bei ihr wiederfinde und die ich nicht mag bei ihr. (Bin dabei mich in der Beziehung auszusöhnen)

Als Mutter von Töchtern spüre ich, wie weh es tut, wenn meine Töchter mich in den Bereichen ablehnen - wo sie die von mir übernommenen Verhaltensweisen bei sich selber erkennen und feststellen, dass sie gar nicht mehr in ihr Leben passen.

Und ich erkenne, dass es mir nicht zu lange weh tun darf, weil es die falsche Reaktion ist. Es fühlt sich viiiiel besser an, wenn ich mit ein klein wenig Stolz darauf reagiere, dass meine Töchter es schaffen, nicht in meinen Fussstapfen weiter zu marschieren, sondern ihren eignen Weg suchen. Ja, eigentlich sollte jede Mutter froh sein, wenn das Kind es wagt, die übernommenen, unerwünschten Anteile von ihrer Mutter loszuwerden.

Verrückterweise ist man sich vielem nicht gewahr. Ich hätte jedem versichert, dass meine Töchter diesen Prozess längst "hinter sich" gebracht haben. Aber nein - dem war nicht so. Vielleicht braucht es dazu ein Leben lang. Vielleicht noch über den Tod hinaus.

Was Kinder meiner Meinung nach nie tun müssen: ein schlechtes Gewissen haben. Mutter/Vater sein bedeutet doch nicht, ein Recht auf das Kind zu haben. Egal was Kinder tun, es ist ihr Leben....und kein Mensch dieser Welt hat das Recht ihnen zu sagen wie dieses Leben aussehen soll. Nicht die Mutter - und auch nicht der Vater.

Aber wenn sie bleiben...wenn der Kontakt weiterbesteht - dann ist das schön... :)
nicht immer ;) aber fast immer.

Timpe

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Es ist gut, wenn uns die verrinnende Zeit nicht als etwas erscheint, das uns verbraucht oder zerstört, sondern als etwas, das uns vollendet. (Antoine de Saint-Exupéry)


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 Betreff des Beitrags:
Verfasst: So 21. Okt 2012, 07:28 


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 Betreff des Beitrags: Re: Mütter, Väter, Kinder
BeitragVerfasst: So 21. Okt 2012, 11:46 
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Ja meine Güte, liebe Timpe, wenn meine Mutter auch nur ein zehntel so über sich selbst und über
die Dinge nachdenken würde, dann würde es mir (und auch ihr!) wesentlich besser gehen.

Ich habe schon immer das Gefühl gehabt, dass sie sich im Stich gelassen fühlt,
wenn ich anders denke als sie. Ich könnte sie nie so offen kritisieren, wie es deine Tochter getan hat.
Ich merke auch jetzt gerade wie sich alles in mir sperrt, über das Thema nachzudenken.

Sie hat so viel ungelösten Sch*** in sich, Dinge, die sie niemals aufarbeiten und loswerden wird.
Manchmal habe ich das Gefühl, ich müsste das für sie tun, damit der Kreis unterbrochen wird.
Versteht man, was ich meine?

Ich bin so voll davon, habe aber immer Angst, den Deckel anzuheben, weil ich nicht weiß,
ob es aufhören würde, überzulaufen.

Also das hört sich jetzt iregndwie schlimmer an, als es ist, glaube ich.
Hm, bin mal gespannt, wie es anderen geht.

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 Betreff des Beitrags: Re: Mütter, Väter, Kinder
BeitragVerfasst: So 21. Okt 2012, 16:30 
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Bounce hat geschrieben:
Manchmal habe ich das Gefühl, ich müsste das für sie tun, damit der Kreis unterbrochen wird.


ich werde in den nächsten tagen mehr zu diesem thema schreiben. die obige aussage verlangte/forderte von mir eine sofortige reaktion.

liebe bounce,

nicht für sie!
für DICH!
du tust es für dich und so wird der kreis durchbrochen.

mlg
ostara


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 Betreff des Beitrags: Re: Mütter, Väter, Kinder
BeitragVerfasst: So 21. Okt 2012, 16:57 
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Liebe bounce

ostara schreibt:
Zitat:
nicht für sie!
für DICH!
du tust es für dich und so wird der kreis durchbrochen.


Genau! Schliesse mich dieser Aussage gerne an!

Ergänzend zu meinem ersten Beitrag möchte ich sagen,
dass
auch wenn ich erkenne- und zutiefst in meinem Herzen spüre, dass es der richtige Weg ist - es auch die andere Stimme in mir gibt. Die Stimme die mir verrät, dass ich mich manchmal zurückgewiesen, verletzt und alleine-gelassen fühle. Und Kinder spüren das. Das macht die Sache so unendlich schwierig. Mütter sind ja auch nur Menschen. Und es waren viele Jahre die man zusammen verbracht hat...Vor allem - es sind - im besten Fall!) die Kinder die entscheiden, zu welcher Zeit sie sich von den Eltern distanzieren wollen/müssen. Und das kann dann ein Moment sein, wo es besonders schwer fällt dieses "Abnabeln" zu ertragen. Das alles spüren die Kinder. Und ich wage zu behaupten, dass es Gefühle sind, die die meisten Mütter durchleben.
Es fühlt sich manchmal richtig paradox an für mich....Die eine Stimme in mir sagt: Liebe Kinder fliegt! fliegt so weit weg wie ihr es braucht um euch selber zu sein.....Und wenn es keinen andern Weg gäbe um das zu werden was ihr werden müsst, dann verlasst mich...ich bin alt genug um auf mich aufzupassen. Ihr seid nicht verantwortlich für mich. Und ich fühle und spüre - so ist es. Und es ist gut so.
Und dann gibt es noch die andere Stimme in mir, die immer wieder mal "reinfunkt"...bitte verlasst mich nicht. Ihr seid das, was ich am meisten geliebt habe in meinem Leben. Wahrscheinlich mehr geliebt habe, als mein Leben.
Vielleicht ist es das, was du unausgesprochen bei deiner Mutter spürst. Ihr dürft darauf keine Rücksicht nehmen liebe Bouncy...es ist an uns Müttern damit umzugehen.

Es ist nicht leicht...
sei umarmt liebe bounce...und ich hoffe, du bist jetzt nicht enttäuscht, weil ich eine gaaaaanz "normale" fehlerhafte Mutter bin....

Timpe

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 Betreff des Beitrags: Re: Mütter, Väter, Kinder
BeitragVerfasst: So 21. Okt 2012, 17:35 
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Registriert: Mo 7. Nov 2011, 11:36
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Hallo TimpeTe,

TimpeTe hat geschrieben:
Als Mutter von Töchtern spüre ich, wie weh es tut, wenn meine Töchter mich in den Bereichen ablehnen - wo sie die von mir übernommenen Verhaltensweisen bei sich selber erkennen und feststellen, dass sie gar nicht mehr in ihr Leben passen.

Und ich erkenne, dass es mir nicht zu lange weh tun darf, weil es die falsche Reaktion ist. Es fühlt sich viiiiel besser an, wenn ich mit ein klein wenig Stolz darauf reagiere, dass meine Töchter es schaffen, nicht in meinen Fussstapfen weiter zu marschieren, sondern ihren eignen Weg suchen. Ja, eigentlich sollte jede Mutter froh sein, wenn das Kind es wagt, die übernommenen, unerwünschten Anteile von ihrer Mutter loszuwerden.

Ach TimpeTe, das mit dem Ablehnen gefällt mir gar nicht. Wenn sie erkennen, dass sie sich mit bestimmten Verhaltensweisen etc. selbst nichts Gutes täten, das wäre ja etwas anders. Hier und da andere Wege, vielleicht auch sehr andere Wege gehen und doch beieinander bleiben, das fände/finde ich schön.

Gruß
Anastasius

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"Wer seine Gedanken und Hoffnungen auf etwas richten kann, das jenseits des Ichs liegt, wird einen gewissen Frieden inmitten der unvermeidlichen Lebenssorgen erringen. Das ist den reinen Egoisten unmöglich." (Bertrand Russell)


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 Betreff des Beitrags: Re: Mütter, Väter, Kinder
BeitragVerfasst: So 21. Okt 2012, 17:50 
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Beiträge: 856
Liebe Timpe,

TimpeTe hat geschrieben:
Es fühlt sich manchmal richtig paradox an für mich....Die eine Stimme in mir sagt: Liebe Kinder fliegt! fliegt so weit weg wie ihr es braucht um euch selber zu sein.....Und wenn es keinen andern Weg gäbe um das zu werden was ihr werden müsst, dann verlasst mich...ich bin alt genug um auf mich aufzupassen. Ihr seid nicht verantwortlich für mich. Und ich fühle und spüre - so ist es. Und es ist gut so.
Und dann gibt es noch die andere Stimme in mir, die immer wieder mal "reinfunkt"...bitte verlasst mich nicht. Ihr seid das, was ich am meisten geliebt habe in meinem Leben. Wahrscheinlich mehr geliebt habe, als mein Leben.

:flowers: ich weiß nicht wie man Muttergefühle besser beschreiben kann als auf diese Art. Und genau so sollte das auch sein, nicht? Wie man auf diesem Grat wandert, ist dabei entscheidend.

LG

zazie

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"Vivre, c'est naître lentement. Il serait un peu trop aisé d'emprunter des âmes toutes faites !"

Antoine de Saint-Exupéry


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 Betreff des Beitrags: Re: Mütter, Väter, Kinder
BeitragVerfasst: So 21. Okt 2012, 19:55 
zazie hat geschrieben:
Liebe Timpe,

TimpeTe hat geschrieben:
Es fühlt sich manchmal richtig paradox an für mich....Die eine Stimme in mir sagt: Liebe Kinder fliegt! fliegt so weit weg wie ihr es braucht um euch selber zu sein.....Und wenn es keinen andern Weg gäbe um das zu werden was ihr werden müsst, dann verlasst mich...ich bin alt genug um auf mich aufzupassen. Ihr seid nicht verantwortlich für mich. Und ich fühle und spüre - so ist es. Und es ist gut so.
Und dann gibt es noch die andere Stimme in mir, die immer wieder mal "reinfunkt"...bitte verlasst mich nicht. Ihr seid das, was ich am meisten geliebt habe in meinem Leben. Wahrscheinlich mehr geliebt habe, als mein Leben.

:flowers: ich weiß nicht wie man Muttergefühle besser beschreiben kann als auf diese Art. Und genau so sollte das auch sein, nicht? Wie man auf diesem Grat wandert, ist dabei entscheidend.

LG

zazie



beides wunderschön.... berührt mich grade sehr....auch beides.... mehr kann ich garnicht beisteuern...

<3


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 Betreff des Beitrags: Re: Mütter, Väter, Kinder
BeitragVerfasst: Mo 22. Okt 2012, 07:06 
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Also mir kommen bei dem Thema wie auf Knopfdruck die Tränen. Schlimm.

Ja, ostara einiges kann ich ja für mich klären, aber es tut mir weh zu sehen, dass
sie die Sachen nicht erkennt. Dass sie so dicht macht.
Ich weiß. dass sie auch nur ein Mensch ist. Und sie hat es schwer gehabt und dafür hat sie
ihre Sache wirklich gut gemacht. Wenn ich bedenke, wie kalt ihre eigene Mutter war.

Ich muss los zur Arbeit.

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 Betreff des Beitrags: Re: Mütter, Väter, Kinder
BeitragVerfasst: Mo 22. Okt 2012, 09:35 
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Hallo Bounce,

Bounce hat geschrieben:
aber es tut mir weh zu sehen, dass
sie die Sachen nicht erkennt. Dass sie so dicht macht.

Ich rede mal von mir und meiner Mutter. Ich denke, eine Rarität ist unser Verhältnis nicht. Was heißt, es könnte auch anderen so gehen. In früheren Zeiten war auch (nicht nur) ein Moment von Eigeninteresse dabei. D. h., würde es ihr besser gehen, würde es auch mir besser gehen, der Umgang wäre leichter. Daneben Mitgefühl, der Wunsch, ihr würde es besser gehen. Sie hat viel durchgemacht. Ich konnte nichts ausrichten. Ich dachte öfter: ein schweres, trauriges Leben. Ganz so entschieden würde ich das heute nicht mehr sagen.

Bounce hat geschrieben:
Ich weiß. dass sie auch nur ein Mensch ist. Und sie hat es schwer gehabt und dafür hat sie
ihre Sache wirklich gut gemacht.

Das ist doch der Maßstab, die Schwierigkeit der Umstände.
Ich denke, sozusagen "rechnerisch" formuliert, die "Leistung", das Anerkennswerte und Liebenswerte eines Elternteils, dass es sehr schwer hatte, ist viel größer als die mit "mittelmäßigem Ergebnis"eines Elternteils, dem kaum etwas im Weg stand.

Gruß
Anastasius

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 Betreff des Beitrags: Re: Mütter, Väter, Kinder
BeitragVerfasst: Mo 22. Okt 2012, 10:31 
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Bounce, ich möchte dazu noch was schreiben.
Bounce hat geschrieben:
Und sie hat es schwer gehabt und dafür hat sie
ihre Sache wirklich gut gemacht.

Ich verstehe dich schon, und trotzdem klingt das für mich etwas nach `aber`. Doch vielleicht ist es gar nicht so gemeint?
Klar, ich hatte auch gesagt, es steht im Verhältnis zu den Umständen. Mir gefällt es so: Erst die Relativierung berücksichtigen. Und dann wieder weglassen.
Ich hoffe, du verstehst was ich meine: Angesichts der Verhältnisse . . . Und schließlich Ohne Punkt und Komma, ohne ´"aber"und "und dafür".

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 Betreff des Beitrags: Re: Mütter, Väter, Kinder
BeitragVerfasst: Mo 22. Okt 2012, 12:13 
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Lieber Anastasius

Zitat:
und doch beieinander bleiben, das fände/finde ich schön.


Das tun wir Anastasius. Wir leben ja nicht im Streit. Vielleicht müssen Kinder- gerade wenn die Beziehung eher innig war - erst mal ablehnend sein dürfen um herauszufinden, was zu ihnen- und nicht zu Muttern gehört :nixweiss: Ich glaube, vor allem meine ältere Tochter hat mich zu lange idealisiert....Das ist keine gute Sache...nicht für sie- aber auch nicht für mich.
Und vielleicht ist es zu schwierig nur einem konkreten Teil gegenüber ablehnend zu sein - vielleicht müssen Kinder dann erst mal mit Unmut auf das "Gesamtpaket Mutter" reagieren :nixweiss:

mit liebem Gruss
Timpe

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 Betreff des Beitrags: Re: Mütter, Väter, Kinder
BeitragVerfasst: Mo 22. Okt 2012, 12:17 
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Liebe zazie

Zitat:
..................... Wie man auf diesem Grat wandert, ist dabei entscheidend.


Ein schöner Gedanke! Danke zazie :knuddel:

ein lieber Gruss zu dir
Timpe

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 Betreff des Beitrags: Re: Mütter, Väter, Kinder
BeitragVerfasst: Mo 22. Okt 2012, 19:15 
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Ja Anastasius ich glaube, ich verstehe dich.

Und so wollte ich es auch transportieren, es war schwer für sie, sie hat das Maximum rausgeholt.

Was mich beschäftigt ist, aber gar nicht mehr die Vergangenheit/ Kindheit, sondern
die Gegenwart.
Sie reagiert auch auf die leiseste Kritik entweder mit Wegbeißen ( ja ja ich weiß, ich war ne Rabenmutter!) oder mit Heulen und ich muss sie dann trösten.

Ich habe ja schon viele Sachen anders gemacht, oder mache sie aktuell anders.
Was meiner Mutter vor allem fehlt, ist Selbstironie. Davon habe ich schon wieder fast zu viel.
Kippt schon um in Entwertung manchmal. Na, werde schon noch den Mittelweg finden.


Wir eiern ganz oft umeinander herum, vermeiden
viele Themen und es ist eig. ganz selten entspannt. Besonders die Thematik "Hund".
Werde dazu noch ausführlich schreiben, mag mich aber heute nicht damit befassen,
mich darüber aufregen.

Danke liebe Timpete für deine Ausführungen. :ja: Ja! Genauso sollte eine Mutter denken/fühlen!
ostara hat geschrieben:
nicht für sie!
für DICH!
du tust es für dich und so wird der kreis durchbrochen.

mlg


Hallo Ostara,
aber wie soll ich denn ihre Verletzungen für sie bearbeiten, ich kann ja nicht ihre Trauer übernehmen, ihre Sicht auf sich selbst verändern? Ich kann nur sehen, wie
es ihr besser gehen würde, was das Ganze noch schlimmer für mich macht.
Zu wissen, was ihr helfen würde und zusehen zu müssen, das sie es nicht
schafft/ macht/ Hilfe annimmt.
LG bounce

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 Betreff des Beitrags: Re: Mütter, Väter, Kinder
BeitragVerfasst: Mo 22. Okt 2012, 20:52 
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Hallo Bounce,

Bounce hat geschrieben:
Sie reagiert auch auf die leiseste Kritik entweder mit Wegbeißen ( ja ja ich weiß, ich war ne Rabenmutter!) oder mit Heulen und ich muss sie dann trösten.

Mal `ne Frage, wie reagiert sie denn auf Lob und Anerkennung?

Gruß
Anastasius

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 Betreff des Beitrags: Re: Mütter, Väter, Kinder
BeitragVerfasst: Di 23. Okt 2012, 12:07 
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Anastasius hat geschrieben:
wie reagiert sie denn auf Lob und Anerkennung?


Früher auch irgendwie immer zu doll, aslo so pathetisch und klammernd.
Ja, mein liebstes Kind, Du bist ja das wichtigste usw.
Also so wenig mal mit etwas Abstand oder einer angemessenen Nüchternheit.
Einfach immer zu eng, zu symbiotisch.

In letzter Zeit (die letzten fünf Jahre ca) habe ich sie nicht direkt gelobt,
natürlich sage ich ihr, dass ich sie lieb habe und wir drücken uns.
Das ist auch gut und normal.

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 Betreff des Beitrags: Re: Mütter, Väter, Kinder
BeitragVerfasst: Di 23. Okt 2012, 20:15 
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Bounce hat geschrieben:
aber es tut mir weh zu sehen, dass
sie die Sachen nicht erkennt. Dass sie so dicht macht.
Ich weiß. dass sie auch nur ein Mensch ist. Und sie hat es schwer gehabt und dafür hat sie
ihre Sache wirklich gut gemacht. Wenn ich bedenke, wie kalt ihre eigene Mutter war.


meine spontaner gedanke dazu: neben deinem leid, trägst du auch noch ihr leid.
und der nächste gedanke: du hast eine sehr intelligente mutter (bitte, das ist absolut nicht zynisch gemeint). deine mutter spürt genau (und ich bin mir sicher, ihr ist das absolut nicht bewusst), wie sie dich binden kann (bindung ist zu unterscheiden von beziehung).


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 Betreff des Beitrags: Re: Mütter, Väter, Kinder
BeitragVerfasst: Di 23. Okt 2012, 20:31 
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Bounce hat geschrieben:
ostara hat geschrieben:
nicht für sie!
für DICH!
du tust es für dich und so wird der kreis durchbrochen.

mlg


Hallo Ostara,
aber wie soll ich denn ihre Verletzungen für sie bearbeiten, ich kann ja nicht ihre Trauer übernehmen, ihre Sicht auf sich selbst verändern? Ich kann nur sehen, wie
es ihr besser gehen würde, was das Ganze noch schlimmer für mich macht.
Zu wissen, was ihr helfen würde und zusehen zu müssen, das sie es nicht
schafft/ macht/ Hilfe annimmt.
LG bounce


gut, dass du da nachfragst, denn ich habe damit gemeint, dass du nur für dich sorgen kannst. du kannst deiner mutter keine gefühle "abnehmen".
in dem maße, wie du dir gedanken darüber machst, wie es ihr besser gehen könnte, in dem maße braucht sich deine mutter keine gedanken darüber machen. du übernimmst ja ihre arbeit.
ich denke, es ist eine der größten herausforderungen in diesem leben, menschen, die man gern hat, ihren weg - den man selber als anders/besser möglich empfindet - gehen zu lassen. es ist ihr weg! so schmerzvoll, es auch für dich sein mag.
ein beispiel aus meiner herkunftsfamilie. die schwiegertochter meiner mutter wünschte sich nichts mehr, als die wertschätzung und anerkennung meiner mutter. sie tat alles. pflegte sie aufopferungsvoll bis zu ihrem tod. doch nie kam ein wort der wertschätzung ihr gegenüber über die lippen meiner mutter. ich sagte meiner schwägerin: meine mutter kann die wertschätzung für dich nur uns (also den töchtern) sagen, denn ihre angst, du würdest dich dann nicht mehr um sie kümmern, wenn sie dir sagt, wie dankbar sie ist, verunmöglicht es ihr.

wir leben in einer total ver-rückten welt.

mlg
ostara


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 Betreff des Beitrags: Re: Mütter, Väter, Kinder
BeitragVerfasst: Di 23. Okt 2012, 21:09 
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In einer total ver-rueckten gefuehlswelt, entsprechender ausgedrueckt.

Gefuehle kennen kein alter.

Der vater meiner mutter starb als sie 12 jahre alt war. Kam daher ihre angst, verlassen zu werden, wenn sie anderen ihre liebe und wertschaetzung zeigte?
Meine schwaegerin fuehlte sich zeitlebens meiner mutter ungenuegend.

Und als ich mal versuchte, ihr die verstrickung klar zu machen, fuehlte sie sich total unverstanden.


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 Betreff des Beitrags: Re: Mütter, Väter, Kinder
BeitragVerfasst: Mi 24. Okt 2012, 13:12 
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Alter: 99
Zitat:
Der vater meiner mutter starb als sie 12 jahre alt war. Kam daher ihre angst, verlassen zu werden ...
Da mein eigener Vater starb, als ich 10 Jahre alt war, erlaube ich mir hier ein klares "Ja". Frühe Verluste erzeugen Angst vor Verlassenwerden. Und mehr.


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 Betreff des Beitrags: Re: Mütter, Väter, Kinder
BeitragVerfasst: Mi 24. Okt 2012, 19:05 
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Danke ostara für deine Antwort!!! :wink:
Ich habe deine Worte jetzt schon mehrfach durchgelesen, du bringst es auf den Punkt.
ostara hat geschrieben:
deine mutter spürt genau (und ich bin mir sicher, ihr ist das absolut nicht bewusst), wie sie dich binden kann (bindung ist zu unterscheiden von beziehung).


Ja! Das weiß sie, ich war immer ihr Anker früher. Sie hat niemanden zwischen mich und
sie gelassen. Ist auch ok, sie hat mich eben auch gebraucht.
Deswegen lehnt sie meinen Freund auch so ab, (unterschwellig, sie sagt zwar, dass sie ihn mag,
aber ich spüre etwas anderes und auch seine Antennen sagen: sie mag mich nicht.
Was ich und auch er ihr zugute halten: Sie versucht es! Da ist sie ganz tapfer. :)

Nun war es nämlich so, dass meine letztendliche (?) Abnabelung sowohl zeitlich als auch
ursächlich ein Stück weit mit ihm zusammenhing.
Ich habe zu Anfang der Beziehung die letzte Therapie gemacht und mein Freund hat mich
eben auch sehr darin unterstützt.

Ausserdem kann sie ihm mit Essen keine Freude machen, ihn nicht "abfüttern".
oder vielmehr, er lässt sich von ihr zu nix überreden oder so.
Normalerweise halten alle irgendwann die Klappe und machen, was sie möchte.
(noch ein Stück Kuchen, etwas trinken, noch ein Stück...)
Er nicht, er sagt freundlich nein Danke und bleibt dabei. Hinzu kommt noch seine Hundeallergie...
Es ist ein bisschen so, als wenn zwei Alphatierchen aufeinander prallen.
Ich beschreibe meine Mutter auch gerne als Elefantenkuh, die die Herde führt.
Also durchaus auch im positiven Sinne. Sie sorgt dafür, dass alle das Wasserloch finden.
Naja....


ostara hat geschrieben:
neben deinem leid, trägst du auch noch ihr leid.


Ja! So fühlt es sich oft an. Aber Du hast recht, ich muss ihr das Päckchen liegenlassen.
Und ein bisschen habe ich das auch schon, es war sehr schmerzhaft.
Aber so komplett ist es eben doch noch nicht über die Bühne.

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 Betreff des Beitrags: Re: Mütter, Väter, Kinder
BeitragVerfasst: Fr 26. Okt 2012, 07:55 
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während meiner therapiejahre habe ich, um mich und mein verhalten besser verstehen zu lernen, begonnen, die bücher von alice miller zu lesen. ich erinnere mich noch gut an mein erschrecken über die und in folge der von mir automatisierten verdrängung der von miller klar, eindringlich und präzise formulierte aussage: deine eltern haben dich nicht geliebt!, war ich doch bis dahin der festen überzeugung, dass alle eltern ihre kinder lieben. als katholisch gut erzogenes kind hatte im gegenzug das vierte gebot von der ehr-furcht vor den eltern für mich universelle gültigkeit. so lernte auch ich, wie die überwältigende mehrheit der kinder der sogenannten zivilisierten welt, die bedürfnisse meiner eltern zu spüren und mich ihnen anzupassen, um zu überleben.

jahre später begegneten mir die bücher von arno gruen: "der verluste des mitgefühls", "der fremde in uns", "hass in der seele" - auch hier das zentrale thema: deine eltern haben dich nicht geliebt!
arno gruen beschreibt die folgen dieses nicht-geliebt-werdens in der kindheit sinngemäß wie folgt (ein paar aussagen dazu):

der fremde in uns ist jener uns eigene teil, der durch die erfahrung von unterdrückung und ablehnung verlorengegangen ist. bedürftigkeit und hilflosigkeit machen uns als säuglinge abhängig von unseren eltern. um seelisch zu überleben, brauchen wir ein gewisses vertrauen darauf, dass die eltern uns liebe, geborgenheit und schutz geben werden. unser überleben als kind hängt also davon ab, dass wir uns mit unseren eltern arrangieren – und zwar auch und vor allem dann, wenn die eltern tatsächlich kalt und gleichgültig oder grausam und unterdrückend sind. die gefühle des kindes, seine bedürftigkeit, seine art der wahrnehmung werden zu einer existentiellen bedrohung, weil sie die eltern dazu veranlassen könnten, ihm die lebensnotwendige fürsorge zu entziehen. die folge ist die identifizierung mit den eltern. das kind passt sich an, weil es ohne zuwendung nicht leben kann. der preis dafür ist, dass es seine eigene sichtweise, sein eigenes gefühl verleugnet. das eigene wird als etwas fremdes verworfen.
es geht ja ums überleben. deshalb können wir gar nicht glauben, dass die eltern uns nicht lieben, dass sie nicht fähig dazu sind. wenn wir das als säuglinge erkannt hätten, dann wären wir in eine tiefe depression versunken und gestorben. also deuten wir das geschehen um, um am leben zu bleiben, nehmen also die „schuld“ auf unsere schultern, wir deuten die situation gegen uns selbst um, so dass wir fühlen, dass die kälte der eltern aus UNSEREM versagen emporsteigt. wir sind schlecht. wir überleben, indem wir uns die schuld anlasten.

das fremde in uns ist also der uns eigene teil, der uns abhanden gekommen ist und den wir zeit unseres lebens, jeder auf seine weise, wiederzufinden versuchen.

und so kommt es, dass wahre liebe unerträglich ist: der vergebliche wunsch nach nähe und wärme. wir haben gar nicht die fähigkeit, wirkliche liebe anzunehmen, wenn wir uns tief in unserem sein als wertlos erleben. der beweis für diese tragische entwicklung ist, dass solche menschen, wenn man ihnen mit liebe entgegenkommen und liebe begegnet, dies abwehren. immer wieder fühlen sie dann, dass der andere nichts wert ist (denn sonst würden sie einen doch nicht lieben und schützen), oder sie meinen, der andere wolle etwas von ihnen, wenn er sagt, er findet einen gut, dann sagt er es nur, um etwas zu erpressen. also vermeiden wir die menschen, die uns wirklich lieben könnten und bleiben dauernd auf der jagd: männer nach kalten frauen, frauen nach kalten männern.


heute bin ich mit meinen eltern ausgesöhnt, nachdem ich in der therapie all die abgespaltenen gefühle furcht-los fühlen durfte. ich erkenne heute auch, dass meine eltern von ihren eltern ebenfalls nicht geliebt wurden und nur weitergegeben haben, was sie erfahren haben. auch sie waren zutiefst ungeliebte kinder.

was habe ich an meine kinder weitergegeben? diese frage beschäftigt mich manchmal sehr. mit dem heutigen bewusstsein, hätte ich bestimmt einiges anders gemacht.

mlg
ostara


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 Betreff des Beitrags: Re: Mütter, Väter, Kinder
BeitragVerfasst: Fr 26. Okt 2012, 08:03 
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aus dem buch von arno gruen „der verlust des mitgefühls“:

Eltern geben weiter, was ihnen selbst angetan wurde: Sie bestrafen ihre Kinder für das, was sie lernten, in sich selbst abzulehnen und zu hassen, nämlich Verletzlichkeit und Hilflosigkeit. Beides sind leidvolle Erfahrungen, die zu äußern jedoch bei uns einer Herabsetzung unseres Selbstwerts gleichkommt. Und so intervenieren wir auch nicht, wenn ein Kind kläglich schreit, weint oder verzweifelt ist. Wir schützen unsere Kinder nicht, obschon wir uns für ihre Beschützer halten. Wir sind beides, Opfer und Täter, weil wir den Bezug zum eigenen Schmerz verloren haben. Wir suchen dauernd Opfer, um das Opfer, das wir einst selbst waren, zu bestrafen.

Ein Patient berichtet, daß seine Frau gemeinsam mit ihm ein Wochenende verbringen wollte. »Ich wollte nicht. Danach fühlte ich Trauer, Schuld, Angst.« Ich frage, was in ihm hochsteigt. »Ein Gegenbild. Das Bild meiner Mutter. Sie wirkt so gewinnend. Annette (seine Frau) ist nicht gewinnend. Sie sagt, sie leidet darunter, daß ich so distanziert bin. Ich aber leide darunter, wenn sie mir zu nahe kommt. Das verletzt sie. Sie übertreibt. Eine Trennung erscheint mir daher sinnvoll.« Ich bitte ihn, mehr über das Gegenbild seiner Mutter zu sagen. »Komisch«, erklärt er, »es wirkt sich aus auf Annette. Meine Mutter hatte Vorstellungen davon, wie ich zu sein hatte: höflich, brav, nett, sie beschützend. Sie sagte immer, sie wolle nur das Beste für mich.« - »Und was möchte Annette?« frage ich. »Daß ich sie gern habe«, antwortet er, »ihr Aufmerksamkeit schenke, sie verstehe und stütze. « Ich frage ihn, worin er den Unterschied zwischen seiner Frau und seiner Mutter sehe. »Sie haben unterschiedliche Wertvorstellun -gen, aber beide haben eine Erwartungshaltung mir gegenüber.« - »Und was«, frage ich weiter, »wollten Sie als Kind von Ihrer Mutter?« - »Mütterlichkeit, Zuneigung, Anerkennung.« - »Aber das bekamen Sie nicht. Im Gegenteil, Sie schildern Ihre Mutter so, daß sie es war, die Zuneigung von Ihnen verlangte, und wenn sie ihr diese nicht gaben, wurde sie böse auf Sie.« Der Patient überlegt: »Mmh, Sie meinen also, wenn ich vorhin von dem gewinnenden Gegenbild meiner Mutter sprach, dann idealisierte ich sie, um nicht realisieren zu müssen, wie sehr mich ihre Ablehnung schmerzte.« - »Mir scheint, daß Sie Annette auf die gleiche Weise bestrafen, wie Ihre Mutter Sie bestrafte: indem Sie sich von ihr fernhalten, weil sie Zuneigung von Ihnen verlangt.«
Nach einer Weile sagt der Patient: »Meine Mutter hat mich links liegengelassen. Sie erzählt, daß ich als Kind dauernd geschrien hätte. Sie ließ den Kinderwagen draußen vor den Geschäften stehen, weil ich so schrie. Sie schämte sich für mein Gebrüll. Spüre ich darum plötzlich Trauer, wenn ich nein zu Annette sage? Bestrafe ich sie dafür, daß sie >kindliche< Nöte hat? Mutter zeigt sich immer so bemüht um ihre Enkelkinder. Aber in Wirklichkeit ist selbst das Wickeln eines Enkelkinds für sie schon Stress. Sie hat immer das Gefühl, sie könnte was falsch machen. Und deshalb denke ich: Was für eine liebe Mutti, sie will nichts falsch machen. Wenn die Kinder meines Bruders bei ihr sind, werden sie oft bestraft, werden ohne Abendessen ins Bett geschickt. Mein Bruder erzählte mir, daß sie das mit uns auch gemacht habe. Ich kann mich nicht daran erinnern. Ich habe das Gefühl, ich verrate Mutter, wenn ich sie als böse hinstelle. Als Jugendlicher liebte ich mal ein Mädchen. Aber das war mein großes Geheimnis, denn eigentlich schuldete ich ja Mutter alle meine Liebe.« -
»Mir kommt es so vor, als müßten Sie Annette dafür bestrafen, daß Sie Ihre Mutter lieben müssen. Sonst würden ja Sie bestraft.« - »Meine Mutter kann nicht böse sein. Sie ist so unsicher ... Wissen Sie, ich war letzte Woche nach langer Zeit mal wieder auf dem Berg, den ich als Kind oft zusammen mit meiner Mutter bestiegen hatte. Ich hatte ihn eher als einen kleinen, sanften Hügel in Erinnerung. Jetzt habe ich
bemerkt, daß der Aufstieg gefährlich ist. Ich glaube, daß ich meine Angst vor mir selbst und vor meiner Mutter verbarg. Diesmal hatte ich Höhenangst.«

Dieses Beispiel verdeutlicht, wie ein Mann seine Frau bestraft, wie er sie für die Bedürfnisse, für die er selbst in seiner Kindheit bestraft wurde, verachtet. Sein Schmerz von damals ging ihm abhanden, aus Angst, der Mutter - wie auch dem Vater - nicht zu genügen. Aber die Angst kippte um in Geborgenheit, und dadurch gingen der Schmerz wie auch das Mitgefühl verloren. Schmerz und Mitgefühl sind eng miteinander verbunden, ebenso ist unsere Fähigkeit, Schmerz zu erleben, auch bestimmend für unsere Fähigkeit zur Empathie. Gleichzeitig verhindert die Verneinung von Schmerz in der Lebensgeschichte eines jeden einzelnen die vollständige Entwicklung des eigenen Selbst, verursacht durch den Terror einer Welt, die Nicht-Liebe zur Liebe erklärt. Eine unter solchen Umständen sich bildende Identität kann nur die Angst, die sie formte, widerspiegeln und ist so alles andere als lebendig und originell. Unter derart eingeschränkten Bedingungen verkümmern viele mögliche Ausprägungen des Menschseins.


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 Betreff des Beitrags: Re: Mütter, Väter, Kinder
BeitragVerfasst: Fr 26. Okt 2012, 08:10 
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Registriert: Mo 7. Nov 2011, 11:36
Beiträge: 3872
Hallo ostara,

ostara hat geschrieben:
was habe ich an meine kinder weitergegeben? diese frage beschäftigt mich manchmal sehr. mit dem heutigen bewusstsein,

An dem Satz bin ich hängen geblieben. Mir fallen dazu einige Dinge ein, eher "Sachliches" und Mentalitätsdinge. Ein Punkt aber, vielleicht sehen es mache Eltern für sich genauso. Ich hoffe, dass es wahr ist, für die andere Seite auch spürbar. Die Liebe war u. ist immer etwas stärker als meine "Behinderung".

Gruß
Anastasius

_________________
"Wer seine Gedanken und Hoffnungen auf etwas richten kann, das jenseits des Ichs liegt, wird einen gewissen Frieden inmitten der unvermeidlichen Lebenssorgen erringen. Das ist den reinen Egoisten unmöglich." (Bertrand Russell)


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 Betreff des Beitrags: Re: Mütter, Väter, Kinder
BeitragVerfasst: Fr 26. Okt 2012, 10:44 
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Heute lese ich solche Beschreibungen, wie die von Arno Gruen oben, nicht mehr gern bzw, höre auf zu lesen, wenn ich merke, in welche Richtung sie gehen: Sie sehen die Dinge nur möglicherweise richtig, aber vor allem negativ und legen uns damit fest - was wir u. U. nicht einmal bemerken.

Ich denke, wir können uns auch von mancher psychologisch negativen Sichtweise befreien und sollten es sogar. Würden wir wirklich von den Eltern dermaßen festgelegt, frage ich mich, wieso können es manche Kinder schaffen, einen ganz anderen und guten Weg zu gehen, wenn sie diesen ganzen Ballast doch mitbekommen haben; vielleicht ebenso wie die Geschwister, die diese Belastung nicht abzustreifen vermochten?

Mein eigener Schluss: Es muss in uns eine "Institution" geben, die die Kraft finden kann, auch diese von den Eltern weitergegebenen Dinge nicht als unverrückbar und lebensbestimmend hinzunehmen, sondern das Boot in eine andere Richtung zu lenken.

Ich selbst weiß ja aus eigener Erfahrung, dass ich mich von der Familiengeschichte bzw. der Hypothek durch meine Eltern lange und wahrhaftig lebensgefährdend fesseln ließ, aber auch lernen durfte, die Fesseln - und das im Grunde entgegen jeder Wahrscheinlichkeit - weitgehend abzulegen, lebensrettend für mich. Dasselbe beobachte ich bei meinem Sohn: Auch er konnte sich weitgehend befreien, was ihm die Eltern aus Hilflosigkeit mitgaben.

Ohne das Ganze kleinreden zu wollen: Es ist eine faszinierende Beobachtung, diese Befreiungsmöglichkeit.

Gruß, Yve


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 Betreff des Beitrags: Re: Mütter, Väter, Kinder
BeitragVerfasst: Fr 26. Okt 2012, 12:01 
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Registriert: So 29. Apr 2012, 19:59
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Anastasius hat geschrieben:
Die Liebe war u. ist immer etwas stärker als meine "Behinderung".


danke für die zurechtrückung

mlg
ostara


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